Deutsche Chefs kehren Schweiz den Rücken

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ExodusDeutsche Chefs kehren Schweiz den Rücken

Viele deutsche Manager verlassen die Schweiz in Richtung Heimat. Und immer weniger wollen für Schweizer Unternehmen arbeiten. Die Führungskräfte fühlen sich nicht mehr willkommen.

Valeska Blank
von
Valeska Blank
Adieu Schweiz: Immer mehr Deutsche Manager überqueren die Grenze in Richtung Heimat.

Adieu Schweiz: Immer mehr Deutsche Manager überqueren die Grenze in Richtung Heimat.

Stefan Lippe, Swiss Re. Thomas Vollmoeller, Valora. Manfred Knof, Allianz Suisse. Diese Herren haben zwei Dinge gemeinsam. Sie waren einst Chefs von börsenkotierten Schweizer Unternehmen. Und sie sind Deutsche.

Obwohl sie alle aus verschiedenen Gründen den Hut genommen haben, verdeutlicht diese Aufzählung dennoch einen Trend: Die Zahl deutscher Chefs in der Schweiz nimmt rapide ab. Noch vor vier Jahren waren fünf von 20 CEOs der SMI-Unternehmen Deutsche. Heute ist es mit Carsten Schloter von der Swisscom nur noch ein einziger. Das ist das Ergebnis des diesjährigen «schillingreport», der jährlich Daten zur Zusammensetzung der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Unternehmen erhebt.

«Deutsche madiggemacht»

«Es verlassen substanziell mehr deutsche Manager die Schweiz als kommen», sagt Headhunter Guido Schilling. Ein Blick auf die Zahlen bestätigt das: Im Erhebungszeitraum wurde bei den SMI-Firmen kein einziges deutsches Geschäftleitungsmitglied neu rekrutiert. Auch bei den anderen Schweizer Arbeitgebern zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Seit dem letzten «schillingreport» ist der Anteil von deutschen Chefs an allen ausländischen Führungskräften von 48 auf 40 Prozent gesunken. «Die meisten verlassen die Schweiz und kehren nach Hause zurück», so Schilling.

Der Grund ist für ihn klar: «Wir haben es den Deutschen madiggemacht, in die Schweiz zu kommen.» Sie fühlten sich wegen der Anti-Deutschland-Stimmung im Volk und der entsprechenden medialen Berichterstattung nicht mehr in der Schweiz willkommen. «Die Diskussionen über Zuwanderung und Überfremdung haben in Deutschland für spitze Kommentare gesorgt», so Schilling.

Abfuhren nehmen zu

Das bekommt der Headhunter in seiner täglichen Arbeit zu spüren. Vor vier bis fünf Jahren hätten noch über 80 Prozent der Deutschen interessiert auf eine Anfrage reagiert. Heute erteilt ihm über die Hälfte eine Abfuhr. «Praktisch jede deutsche Führungskraft, die ich anwerben möchte, stellt mir jetzt die Frage: Wollt ihr Schweizer überhaupt, dass ich komme?»

Ein weiterer Faktor für den Exodus deutscher Manager ist die anziehende Konjunktur in ihrem Heimatland. Genau wie die Schweizer stehen auch die deutschen Unternehmen unter enormem Druck, die besten Führungskräfte zu gewinnen. Darum fischen sie vermehrt im Teich der deutschen Chefs in der Schweiz.

Mehr Wertschätzung gefordert

Der Exodus deutscher Führungskräfte könnte Schweizer Unternehmen bald in arge Bedrängnis bringen, warnt Headhunter Schilling. «Es ist wie beim Fussball: Ohne ausländische Talente hat die Mannschaft international weniger Erfolg.» Gerade deutsche Manager seien wegen der gemeinsamen Sprache besonders wichtig für Schweizer Firmen.

«Doch wir haben den Goodwill offenbar verspielt», so Schilling. Seine Forderung: Mehr Wertschätzung für das, was die deutschen Manager in den vergangenen Jahren für die Schweizer Wirtschaft geleistet haben. Und mehr Gastfreundlichkeit gegenüber den nördlichen Nachbarn. «Dafür muss aber erst die Stimmung im Volk umschlagen», so Schilling, «und genau das könnte lange dauern.»

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