FreihandelEU und USA drängen Schweiz ins Abseits
Damit sich die Schweiz im globalen Handel behaupten kann, braucht es weitere Freihandelsabkommen wie jenes mit China. Das fordert der Dachverband Handel Schweiz und ortet zugleich ein Problem.

Den grössten Erfolg konnte der Bundesrat erst kürzlich verbuchen: Als erstes Land in Europa schloss die Eidgenossenschaft ein Freihandelsabkommen mit der Wirtschaftsmacht China.
Die Schweiz gehört zu den kleinen Handelsnationen, die auf dem Weltmarkt spielen. Damit sich das Land im Herzen Europas auch gegen die grossen Player behaupten kann, verfolgt es hartnäckig und mit einigem Erfolg ein bestimmtes Ziel: So viele Freihandelsabkommen mit wichtigen Partnern abzuschliessen wie möglich. Diese brächten laut Handel Schweiz Umsatzsteigerungen von bis zu 18 Prozent mit dem jeweiligen Land und sinkende Preise.
Den grössten Erfolg konnte der Bundesrat erst kürzlich verbuchen: Als erstes Land in Europa schloss die Eidgenossenschaft ein Freihandelsabkommen mit der Wirtschaftsmacht China. Das Abkommen garantiert beiden Ländern einen privilegierten Marktzugang. Für die Chinesen etwas mehr, für die Schweiz etwas weniger. Dennoch darf das Abkommen als Erfolg gewertet werden.
Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz, spricht von einem riesigen Run auf die Poleposition. «Alle Länder der Welt bringen sich für verschiedene Freihandelsabkommen in Position.» Die Schweiz müsse da mitziehen. Mit anderen Worten: Wer beim Wettbewerb um Freihandelsabkommen nicht mitspielt, hat das Nachsehen. Neben den grossen Abkommen mit der EU und Efta ist dasjenige mit China bereits das 29. Schweizer Freihandelsabkommen. Es wäre gut für die Schweiz, würden noch mehr abgeschlossen, sagt Engeli.
Verlust von 18'000 Arbeitsplätzen?
Doch die Schweiz muss sich laut Handel Schweiz vorsehen – denn zurzeit machen zwei mächtige Handelspartner gemeinsame Sache: Die USA und die EU. Sie planen ein Transatlantisches Abkommen, genannt Tafta. Kommt dies zustande befürchtet Handel Schweiz, dass in der Schweiz rund 18'000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten. «Was den beiden Machtblöcken einen Wachstumsschub verschafft, könnte Drittstaaten erheblichen Schaden zufügen», sagt Engeli.
Nach wie vor ist die EU für die Schweiz ein sehr wichtiger Handelspartner. «Deshalb sind die bilateralen Verträge der Lebensnerv der Schweiz», sagt Engeli. 77 Prozent aller Importe und 40 Prozent der Exporte der Schweiz betreffen die EU.
Ein Studie der Bertelsmann Stiftung und des Ifo-Instituts geht von einer Zunahme des Handels zwischen EU-Mitgliedstaaten und den USA von etwa 79 Prozent aus, kommt das geplant Abkommen zustande. Innerhalb der EU würde gemäss der Studie der Handel schrumpfen. Grossbritannien und die USA würden am meisten profitieren.
Keine Verhandlungen mit den USA
Laut Engeli wird das geplante Abkommen die Machtverhältnisse im internationalen Handel verändern. Und die Schweiz? Diese sitze unkomfortabel zwischen Stuhl und Bank. Langfristig könnte das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA das Schweizer Wohlstandsniveau um fast vier Prozent drücken. «Vor allem US-Firmen könnten sich entscheiden, ihre Hauptsitze aus der Schweiz abzuziehen», befürchtet Engeli. Europäische Firmen würden sich darum eher Zulieferer in den USA suchen, der Schweiz gingen Aufträge verloren.
Neue Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der Schweiz mit den USA seien derzeit nicht realistisch, nachdem die Schweiz 2006 solche Gespräche abgebrochen habe, insbesondere wegen zu unterschiedlicher Positionen in Agrar- und Umweltschutzfragen.
WTO im Dilemma
Was tun? Zumindest nicht den Teufel an die Wand mahlen. Studienautor Ulrich Schoof von der Bertelsmann-Stiftung geht nicht davon aus, dass die Schweiz das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA und dessen Konsequenzen tatenlos hinnehmen würde. Und was die Studie nicht berücksichtigt: Sobald die Schweiz gewisse Regelungen von der EU übernähme oder selbst ein Freihandelsabkommen mit den USA abschlösse, würden die Nachteile wegfallen.
Allerdings zeigt das geplante Freihandelsabkommen vor allem, in welchem Dilemma die Welthandelsorganisation (WTO) steckt. Sie ist schwach und hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren: «Die WTO wäre eigentlich der Königsweg, doch sie kommt nicht vorwärts. Es gelingt ihr nicht, die Doha-Runde (siehe Box) endlich zu einem Abschluss zu bringen», sagt Engeli. Grund: Einzelinteressen werden höher gewichtet als ein transparenter und regulierter Welthandel. Die Folge: «Es entstehen Länder-Blöcke, die sich untereinander mit verschiedenen Freihandelsabkommen arrangieren. Das schwächt die WTO zusehends.»
Freihandelsabkommen und Hochpreisinsel Schweiz
Freihandelsabkommen kommen auch den Konsumenten zugute. Es gebe mehr Auswahl an Produkten, Spezialitäten, Qualitäten und Preise, sagt Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz: «Sie sind eines der besten Rezepte gegen die Hochpreisinsel Schweiz.» So hätten die Lebensmittelpreise im Detailhandel wieder das Niveau von 2004 erreicht, bei Nichtnahrungsmitteln gar jenes von 1987. Je offener die Märkte, desto mehr sänken die Preise, so Engeli. (sza)
Doha-Runde
Als Doha-Runde wird ein Paket von Aufträgen bezeichnet, die die Wirtschafts- und Handelsminister der WTO-Mitgliedstaaten 2001 auf ihrer vierten Konferenz in Doha bearbeiten und bis 2005 abschliessen sollten. Zu einem Verhandlungsabschluss kam es aber aufgrund unterschiedlicher Ansichten der WTO-Mitglieder bisher nicht. (sza)