Es gibt mehr als genug Erdöl

Aktualisiert

Öl-ReservenEs gibt mehr als genug Erdöl

Der Ölpreis bricht Rekord um Rekord. Aber nicht etwa, weil uns das schwarze Gold langsam ausgeht. Denn die Reserven werden systematisch unterschätzt, behauptet ein Experte.

Das schwarze Gold wird immer kostbarer, unter anderem auch, weil weite Kreise davon ausgehen, dass das Fördermaximum überschritten ist und die Erschliessung neuer Reserven nicht mit der Nachfrage Schritt zu halten vermag.

Fehlerhafte statistische Berechnungen

Die verfügbare Ölmenge in den bekannten Lagerstätten wird aber massiv unterschätzt — das behauptet zumindest Richard Pike, ein ehemaliger Ölindustrie-Berater und Geschäftsführer der britischen Royal Society of Chemistry. Pike sieht die Schuld an der von ihm postulierten Fehleinschätzung in fehlerhaften statistischen Berechnungen, wie verschiedene britische Medien berichteten.

Ölfirmen stellen die mögliche Ölmenge in einer beliebigen Lagerstätte mit einer glockenförmigen Kurve der Wahrscheinlichkeitsverteilung dar. Als Indikator für die Kapazität der Lagerstätte nehmen sie eine Zahl, die mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit übertroffen wird. Dieses Vorgehen wird von Pike nicht beanstandet.

Arithmetische Addition

Bei der Berechnung der Gesamtkapazität mehrerer Lagerstätten addieren die Ölfirmen jedoch diese Zahlen einfach. Hier liegt das Problem, meint Pike: «Sie sollten die Glockenkurven der Lagerstätten zusammenfassen.» Durch die arithmetische Addition der einfachen Zahlen für jede Lagerstätte würden die statistischen Informationen über die Extreme der Wahrscheinlichkeitsverteilung ausser Betracht fallen, was zu einem Ergebnis führe, das die wahre Gesamtkapazität der Lagerstätten massiv unterschätze.

Niedrige Schätzung, hoher Ölpreis

Schätzungen gehen von weltweiten Ölreserven in der Höhe von rund 1200 Milliarden Barrel aus. In Wahrheit könnte es doppelt so viel sein, glaubt Pike, der noch nicht entdeckte oder kommerziell uninteressante Lagerstätten ausser Betracht lässt. «Die Zahlen sind beinahe bedeutungslos und liefern lediglich eine vorsichtige Schätzung für Aktionäre», sagt er.

Pike behauptet, die meisten Ölfirmen verfügten über statistisch korrekt erhobene Schätzungen der Gesamtkapazität ihrer Reserven. Aber niemand habe Zugang zu diesen Informationen und könne damit berechnen, wie viel Öl weltweit wirklich noch verfügbar ist. «Alle Firmen halten ihre internen Schätzungen geheim», so Pike. Und die massive Unterschätzung der Reserven liege durchaus im Interesse der Ölfirmen, da Meldungen über Ölknappheit sich bestens dazu eigneten, den Preis des schwarzen Goldes hoch zu halten.

Ökologische Herausforderung

Doch der hohe Ölpreis ist nicht das Einzige, das Pike beunruhigt: «Die schlechte Nachricht ist, dass wir uns durch die Unterschätzung der nachgewiesenen Reserven in einer falschen Sicherheit wiegen, was die Umweltschutz-Thematik anbelangt.» Der vermeintliche Mangel lasse uns annehmen, wir müssten sehr bald — innerhalb der nächsten paar Jahrzehnte — eine Alternative zu den fossilen Brennstoffen finden. Dabei «sollten wir nicht überrascht sein, wenn Öl bis weit ins 22. Jahrhundert hinein dominiert.» Und für entsprechende CO2-Emissionen sorgt, wie Pike betont. «Wir unterschätzten so nicht nur die Ölreserven», meint Pike, «sondern auch die damit verbundene ökologische Herausforderung.»

(dhr)

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