Haben Sandoz-Vertreter Ärzte bestochen?

Aktualisiert

Skandal in ItalienHaben Sandoz-Vertreter Ärzte bestochen?

Aus Profitgier sollen italienische Ärzte falsche Rezepte ausgestellt und ihren jungen Patienten Hormone verschrieben haben – weil Sandoz-Vertreter sie dafür belohnten.

von
A. Hirschberg
Italienische Ärzte wurden von Sandoz-Vertretern bestochen, damit sie immer mehr Patienten Wachstumshormone verschreiben.

Italienische Ärzte wurden von Sandoz-Vertretern bestochen, damit sie immer mehr Patienten Wachstumshormone verschreiben.

Ein Hormonskandal erschüttert derzeit Italien. 67 Ärzte aus dem ganzen Land sind der Korruption angeklagt. Vertreter der Schweizer Firma Sandoz – Teil von Novartis – sollen sie bestochen haben, damit sie mehr Medikamente verschreiben. Zu den betroffenen Patienten gehören vor allem viele Kinder. Die Ärzte sollen ihnen viel zu hohe Dosen von Wachstumshormonen oder oder Glycoprotein-Hormone (EPO) verschrieben haben. Dies gaben die N.A.S. Carabinieri (Gesundheitspolizei) in Bologna Ende letzter Woche bekannt.

Gemäss der Medienmitteilung haben 12 Vertreter des Pharmaunternehmens Sandoz ein ausgeklügeltes System aufgebaut, um willige Ärzte zu «belohnen». Unter ihrer «Förderung» haben die Pädiater und Endokrinologen (Fachärzte für Hormon- und Stoffwechselstörungen) nicht nur zu hohe Hormon-Dosen verschrieben, sie haben auch gezielt neue Patienten gesucht, denen sie die Medikamente verschreiben können.

Ein iPad oder zwei Paar Levis für neue Patienten

Die 67 angeklagten Ärzte sind in öffentlichen und privaten Kliniken in ganz Italien angestellt. Zu deren Arbeitgeber gehören offenbar auch renommierte Spitäler des Mittelmeerlandes. Die Vorwürfe der N.A.S. sind happig: Für jeden zusätzlichen Patienten erhielten die Ärzte einen «Bonus» von 500 bis 1000 Euro.

Anderen wurden Ferien mit der gesamten Familie finanziert. Manchmal genügten aber auch ein iPad, ein schönes Armband oder zwei Paar Levis-Jeans und ein Markenpulli als Anreiz um neue Patienten in Behandlung zu nehmen. Die Ausgaben kaschierten die Sandoz-Vertreter mit gefälschten Rechnungen oder angeblichen Reisen zu Kongressen, Seminaren oder internationalen Meetings.

Mit Hausdurchsuchungen an 77 Orten überprüft die N.A.S. derzeit, ob die Wachstumshormone oder das EPO den Patienten überhaupt verschrieben werden durften. Klar ist bereits jetzt: Die Dosen, die einige Kinder und Jugendliche erhielten, lagen deutlich über den Empfehlungen.

Wachstumshormone eigentlich nur bei Kleinwüchsigkeit

Alberto Ugazio, Präsident der italienischen Gesellschaft für Kinderheilkunde sagte im «Corriere della Sera», er sei bestürzt über die Vorwürfe. Gleichzeitig kritisiert er grundsätzlich die Behandlung mit Wachstumshormonen, die stark zugenommen habe. «Eigentlich muss nur Kleinwuchs, eine seltene Krankheit, mit Wachstumshormonen behandelt werden», so der Kinderarzt. Dennoch würden die Hormone in grosser Menge eingenommen, weil Amateursportler sie verwenden, um ihre Leistung zu steigern, sagt Ugazio.

In Italien dürfen diese Hormone gemäss Ugazio nur auf Rezept verkauft werden. «In vielen Regionen wie Latium oder Lombardei gibt es nur wenige Zentren, die sie verschreiben dürfen. Wer besonders viele Rezepte ausgestellt hat, sollte darum einfach herauszufinden sein.»

Eltern wollten Leistungssteigerung für ihre Kinder

Eingeleitet wurden die Untersuchungen der Gesundheitspolizei offenbar, nachdem vor mehr als einem Jahr in Rimini ein Sportarzt verhaftet wurde, der diese Hormone Kindern und Jugendlichen verschrieb. Gemäss «La Repubblica» brachten die Eltern ihre Kinder zum Arzt, damit diese hochgesteckte sportliche Leistungen erreichen. Auch diese Medikamentenabgabe war von Sandoz-Vertretern «gefördert» worden.

Das Pharmaunternehmen Sandoz will zum laufenden Verfahren keine Stellung nehmen, schreibt es in einer Mitteilung an den «Corriere della Sera». Im Zusammenhang mit den Vorfällen in Rimini will das Unternehmen aber nicht ausschliessen, dass «verwandte Aktivitäten» auch anderswo in Italien stattfanden. Sandoz habe immer voll mit den ermittelnden Behörden zusammengearbeitet und strengste Disziplinarverfahren gegen die betroffenen Mitarbeiter ergriffen. Das Unternehmen habe ausserdem neue und strengere interne Kontrollen eingeführt.

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