Hat die Schweiz das Zeug zur Auto-Nation?

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ElektromobileHat die Schweiz das Zeug zur Auto-Nation?

Punkto Leistung und Design lassen neue Elektroautos die Konkurrenz mit Verbrennungsmotor hinter sich. Mit Mindset, Rinspeed und Lampo machen Schweizer Firmen international Schlagzeilen. Werden wir ein Volk von Autobauern?

Werner Grundlehner
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Werner Grundlehner

Der seit Jahren angekündigte Siegeszug des Elektro-Autos lässt auf sich warten. Denn in den Köpfen der Autokäufer haben sich viele Klischees festgesetzt: E-Autos sähen aus wie Kleiderschränke auf Rädern, Reichweite und Leistung seien unbefriedigend, und das Aufladen der Batterien dauere eine Ewigkeit. Die Marktforschung zeigt, dass der Entscheidungsprozess beim Autokauf zu zwei Dritteln von emotionalen Aspekten beeinflusst wird.

Das beste Argument für Elektroautos bleibt die Effizienz: Während der Benzinmotor 16 Prozent der ursprünglichen Energie in Antriebskraft umwandelt, sind es beim Elektromotor 42 Prozent. In Sachen Design Image haben die Elektroautohersteller viel Boden gutgemacht.

Keine «elektrischen Krankenstühle»

«Es gibt kein emotionaleres Produkt als das Automobil», sagt Daniel Buchter von Mindset. Der Firma mit Sitz in St. Niklausen LU sei es gelungen, die Emotion Umwelt mit der Emotion Automobil zu verbinden. Zu diesem Zweck wurde der ehemalige Chefdesigner von Peugot, VW und Mercedes engagiert. «Unser alltagstaugliches Coupé erinnert nicht mehr an einen elektrischen Krankenstuhl», so Buchter. Der Markt für schöne Elektrofahrzeuge sei «überreif».

Mindset will bis Ende 2010 die erste Kleinserie mit 1500 Autos produzieren. «Wir werden von Anfragen überflutet und nehmen Vorreservierungen entgegen», sagt Buchter. Das deutsche Fachblatt «AutoBild» hat Mindset eine grosse Story gewidmet. Titel: «Sehen Sportwagen in Zukunft so aus?» Der Mindest musste sich im Test gegen den Porsche 911 Turbo behaupten. Fazit: «Die beiden haben mehr gemeinsam als erwartet.»

Potenzial von 2 Millionen E-Mobilen in Europa

Mindset arbeitet mit der französischen Heuliez zusammen, die beispielsweise den Opel Tigra komplett montiert hat. Die Innerschweizer setzten in Sachen Fahrwerk, Sicherheit und Qualität auf die Erfahrung der traditionellen Hersteller. Lediglich für Antriebsstrang und Batterie werden neue Technologien entwickelt und gesucht. Ende 2011 will Mindset den Startschuss für die Produktion von weiteren 12 000 Fahrzeugen in Frankreich geben. Daniel Buchter schätzt das Potenzial in Europa auf 450 000 Elektroautos im Jahr 2015 und 2 Millionen im Jahr 2020.

Die Schweiz wird sich aber nicht zum Massenproduktionsstandort wandeln. Dazu fehle es hierzulande an Erfahrung und an der Logistik. «Die Schweiz kann sich aber eine Führungsposition in Entwicklung und Design der Antriebstechnolgie sichern, hier haben wir mit dem Bau von Turbinen, Seilbahnen etc. grosse Erfahrung», so der Mindset-Manager. Andere in unserem Land entwickelten Modelle wie der iChange von Rinspeed oder der Tessiner Lampo stützen diese Aussage.

E-Mobil bereits 1899 über 100 km/h

Punkto Leistung müssen sich E-Autos nicht mehr verstecken: Der amerikanische Tesla liess im Beschleunigungstest benzinbetriebene Sportwagen hinter sich, obwohl er mit 250 PS der «Schwächste» war. Das ist nichts Neues: Im Jahr 1899 knackte ein Elektromobil als erstes Automobil die Limite von 100 km/h.

Mindset-Mann Buchter macht darauf aufmerksam, dass die Kritik an der Energiespeicherung meist von Verbrennungsmoto-Experten komme. Die Batterien würden zudem leichter und effizienter, sobald die produzierte Anzahl markant zunehme. «Das ist wie bei der Digitalkamera: Die ersten Modelle waren sehr teuer, mit zunehmender Verbreitung sinken die Preise der Komponenten markant.»

Batterien: Teuer und schwer

«Die Batterien machen das Elektroauto schwer, sie sind teuer und beeinträchtigen die Reichweite», dämpft ETH-Professor Lino Guzzella die Begeisterung für E-Autos. Um die Reichweite von einem Liter Diesel zu erhalten, brauche man 25 Kilo Batterien.

Guzzella führt den E-Sportwagen Tesla als Vergleich an: Das Auto basiert auf dem «Benzinauto» Lotus Elise. Die Elektroversion sei mit einem Preis von über 150 000 Franken dreimal so teuer wie der «Benziner» und wegen den Batterien fast 400 Kilo schwerer. «Zudem fährt der Tesla mit einer Batteriefüllung nur etwa 250 Kilometer weit», sagt der ETH-Professor. «Die Batterien für ein normales Elektroauto, die rund 10 000 Franken kosten werden, haben zudem lediglich eine Lebensdauer von vier bis fünf Jahren», führt Guzzella einen weiteren Nachteil an.

«Als Spassauto für Hollywood-Stars eignet sich das Elektroauto. Für den Pendler, der jeden Tag von Sternenberg nach Winterthur fährt, dagegen nicht», lautet das Fazit des ETH-Professors. Bis die Batterietechnologie wirklich konkurrenzfähig sei, werden laut Guzzella noch mindestens zehn Jahre vergehen.

Für Fahrten unter 50 Kilometer geeignet

«Wir haben uns daran gewöhnt, dass ein Mittelklassewagen, der 1400 Kilogramm wiegt, mit einer Tankfüllung bis nach Barcelona fahren kann», erklärt Daniel Greiner, Experte für Batterietechnik. Diese Vorgabe könne eine Batterie heute tatsächlich nicht erfüllen. «Aber über 80 Prozent der Autofahrten liegen unter 50 Kilometern und hier sind batteriebetriebene Autos durchaus wettbewerbsfähig.» Die Hersteller von Elektroautos wie dem Chevrolet Volt oder dem neuen Smart, die bald in Serie gingen, müssten auf ihren Batterien eine Lebensgarantie von zehn Jahren abgeben.

Ein neues AKW

Kein Problem mehr ist heutzutage die Aufladezeit. Die neusten Akkumulatoren erlauben eine Schnellaufladung von 80 Prozent in 15 bis 30 Minuten. Eine Batteriefüllung (für 100 bis 200 Kilometer) kostet je nach Stromtarif zwischen zwei und fünf Franken. Ein durchschnittliches Schweizer Auto steht über 23 Stunden pro Tag still. Das ist mehr als genug Zeit, um die Batterien zu füllen.

Würde jedes dritte Auto in der Schweiz elektrisch angetrieben – im Moment sind gesamthaft rund 4 Millionen Fahrzeuge in Betrieb - nähme der Stromverbrauch um 6 Prozent zu. Das tönt nach wenig, würde aber ein neues Atomkraftwerk erfordern – oder alternative Quelle mit vergleichbarer Leistung.

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