Banken-BashingHat die Schweiz verlernt zu kämpfen?
Ex-Banker Oswald Grübel, ein bekannter NZZ-Journalist und die Zeitschrift Bilanz kritisieren das Grossbanken-Bashing und bezeichnen Politiker als Angsthasen.

Müssen die Schweizer Grossbanken von der Politik zuviel Prügel einstecken?
«Der liebste Prügelknabe» titelte der Chefredaktor der Zeitschrift Bilanz, Dirk Schütz, seinen langen Artikel über die UBS. Er kritisierte darin die Schweizer Eigenart, die Grossbank über Gebühr an die Kandare zu nehmen. Auslöser war der Entscheid der Finanzaufsicht, der UBS einen 50-Prozent-Aufschlag bei den operationellen Risiken aufzubürden. Diese Strafaktion sei vor dem Hintergrund des allgemeinen Polit-Bashings der Bank zu sehen. «(...) die Schweizer Politiker scheinen in einer konzertierten Aktion ihre einstige Paradebranche mutwillig zerstören zu wollen», schreibt der Bilanz-Chef. «Hauptangriffsziel: die Bank, die vom Staat gerettet werden musste. Es ist wie auf der Kirmes, das Spiel lautet ‹Hau die UBS: Wer hat noch nicht, wer will noch mal?›»
«Die Menschen glauben immer, nach einem Unfall komme gleich der nächste», sagte der Ex-Chef von CS und UBS, Oswald Grübel, im Interview mit dem SonntagsBlick. Dabei würden Krisen wie jene von 2008 nur ungefähr alle 30 Jahre passieren. «Diejenigen, die nur vor den Risiken warnen und weiteres Schrumpfen fordern, haben einen sehr negativen Einfluss auf die Wirtschaft», redete sich Grübel sodann ins Feuer und hob den Mahnfinger: «Ich mache sie verantwortlich für weniger Wirtschaftswachstum und weniger Wohlstand. Mit schrumpfenden Banken gibt es kein Wirtschaftswachstum.» Das würden die Experten verschweigen, meinte er. Doch: «Es ist ein Fakt».
«Kollektives Harakiri»
«Was tut ein Volk, wenn es kollektives Harakiri begehen will?», fragte Urs Schoettli, der langjährige China-Korrspondent der NZZ. Und lieferte sogleich die Antwort. «Es zerstört seine Wettbewerbs- und Standortvorteile, es schädigt seine eigene Wirtschaft, es bestraft die Tüchtigen und Leistungsbereiten, es verschleudert wertvolles Volks- und Privatvermögen (...) und es pflegt den vorschnellen Kotau vor jeder fremden Erpressung.»
Die Predigt des wortgewaltigen Journalisten, der heute vor allem als Asien-Berater tätig ist, hat es in sich. Schoettli schreibt von einer «Finanzministerin mit ihrem losen Mundwerk», die an der Börse Milliarden zerstören würde und «selbst von sogenannt bürgerlichen Parteien dafür nicht zur Kasse gebeten» würde. Schoettli malt schwarz-weiss: Hier die schweizerische Aussenhandelspolitik, die mit Cleverness sogar einen Freihandelsvertrag mit China zustande gebracht habe; da die nationalen Stimmungsmacher, die ungeniert und unwidersprochen auf den Banken herumhacken könnten.
Alles Amateure
«Hinz und Kunz glauben zu wissen, was die beiden Bankhäuser tun müssen, wie sie schrumpfen und was sie eindampfen müssen», heizt Schoettli ein. «Leute, die noch nie einen Trading-Room in Hongkong besucht haben, massen sich Meinungen über Global Banking an». Die globalen Konkurrenten von CS und UBS würden die «Rückenschüsse» aus dem Inland freuen, glaubt Schoettli. «Bemerkenswerterweise hat noch nie jemand die Rechnung gemacht, was mit dem Finanzstandort Schweiz, mit der Wirtschaftsmacht Schweiz und ihrer Reputation geschehen würde, wenn UBS und CS kleingeschlagen und sie ihrer globalen Präsenz beraubt würden», schliesst er.
Der Kommentar des Eidgenossen aus der Ferne – Schoettli lebt im Ausland – sorgte für Aufsehen. Er macht per E-Mail die Runde und wurde von vielen gelobt. Endlich rede einer Klartext, hiess es da und dort.
Dem engen Kleid der Schweiz entwachsen
Was ist von den drei Kritiken, die alle aus einer anderen Ecke kommen, aber im Grund mit mehr Rückgrat und Widerstandskraft das Gleiche fordern, zu halten? Kurz gesagt: Sie haben recht. Die Schweiz hat verlernt zu kämpfen. Sie brach im US-Steuerkrieg regelmässig ein, was am Ende zur totalen Unterwerfung führte. Und ihre obersten Politiker springen von einem Extrem ins andere. Nachdem sie jahrzehntelang wie eine Eins hinter den Grossbanken gestanden hatten, lassen sie heute keine Gelegenheit aus, um die beiden Finanzmultis zu schelten.
So klar der Befund, so schwierig ist die Ausgangslage. Die UBS und die CS sind ein Problem für das kleine Land, wegen ihrer immer noch riesigen Bilanzen, die im Krisenfall zur Destabilisierung der ganzen Wirtschaft führen könnten, wegen ihren Managern, die das Feeling fürs gesunde Mass verloren haben, wegen ihrem Aktionariat, das zu einem grossen Teil aus dem Ausland stammt. Die beiden grossen Player des Finanzplatzes sind längst dem engen Kleid der Eidgenossenschaft entwachsen. Das macht eine emotionslose Debatte so schwierig. Umso besser ist es, wenn drei Instanzen wie Schoettli, Grübel und die Bilanz einen Kontrapunkt setzen. Nur stetes Reiben an der Materie bringt die Debatte weiter.