ImmobilienblaseHypothekenmarkt in Alarmstimmung
Den Banken droht neues Ungemach: Der Bundesrat könnte bald die Auflagen im Hypothekargeschäft verschärfen – und auf eine kürzlich geschaffene Wunderwaffe zurückgreifen.
Mehr als 50 Milliarden Franken setzten die Schweizer Banken beim Immobiliencrash Anfang der 1990er-Jahre in den Sand. Als Retter traten damals unter anderem die Grossbanken auf. Sie griffen Regional- und Kantonalbanken unter die Arme, die auf faulen Hypotheken sassen. Pleite ging einzig die Spar- und Leihkasse Thun (SLT) – allerdings begleitet von einem Reputationsverlust für die ganze Branche. Denn die Bilder mit den Warteschlangen vor den SLT-Schaltern gingen um die ganze Welt.
Eine Wiederholung dieses Szenarios muss mit allen Mitteln verhindert werden – darin sind sich alle einig: Banken, Nationalbank und Bundesbehörden. Denn die Schweiz hat die Finanzkrise auch deshalb so gut überstanden, weil der Immobilienmarkt nicht mit in die Tiefe gerissen wurde. Hinzu kommt, dass die Branche heute kaum in der Lage wäre, einen ähnlich grossen Verlust wie vor zwei Jahrzehnten aus eigener Kraft zu bewältigen.
Gibt es die Blase oder nicht?
So unbestritten das Ziel, so umstritten der Weg. Schon bei der Diagnose über den Zustand des Immobilien- und Hypothekarmarkts gehen die Meinungen weit auseinander – selbst innerhalb der Finanzbranche. Der von der UBS ermittelte Immobilienblasenindex erreichte im 3. Quartal 2012 erstmals seit den frühen 1990er-Jahren die Risikozone. «Baldige Abschwächung der Preisentwicklung absehbar», meldeten hingegen die Ökonomen der Credit Suisse zum Jahresende. Eine spekulative Preisblase bestehe nach wie vor nicht.
Noch heftiger wird über die Massnahmen gegen die Überhitzung im Immobiliensektor gestritten. Die Banken betonen, sie hätten die Lehren aus dem letzten Crash gezogen, und verweisen auf die Selbstregulierung. Auf Druck der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma wurden diese Standesregeln in den letzten beiden Jahren verschärft. So wurde der Vorbezug von Pensionskassengeldern zur Finanzierung von Hypotheken eingeschränkt. Wer eine neue Hypothek will, muss seit Mitte letzten Jahres mindestens 10 Prozent an harten Eigenmitteln beibringen.
SNB als vorderste Mahnerin
Die Finma hat zudem ihre Kontrollen intensiviert und nimmt vermehrt direkte Überprüfungen in den Banken vor, wenn sie Anhaltspunkte für eine leichtfertige Kreditpolitik hat. Als Mahnerin tritt seit mehr als zwei Jahren aber vor allem die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf. Im Chor mit ihren ausländischen Zentralbankkollegen fordern Thomas Jordan und seine Leute an der SNB-Spitze Instrumente, mit denen sie vorbeugend gegen eine Blasenbildung eingreifen können.
Nach steten Warnungen der Nationalbank schuf der Bundesrat Mitte 2012 ein solches Instrument. «Antizyklischer Kapitalpuffer» nennt sich die Wunderwaffe. Die Banken können damit verpflichtet werden, ihr Kreditgeschäft mit zusätzlichen Eigenmitteln zu unterlegen. Zuständig für die Aktivierung dieses neuen und auch im Ausland noch kaum erprobten Instruments ist die Nationalbank. Sie muss vorab aber die Finma konsultieren. Und das letzte Wort hat der Bundesrat, an den die SNB Antrag stellen muss.
Wann wird Puffer aktiviert?
Die SNB-Exponenten haben sich in den letzten Wochen und Monaten mit ihren Warnungen vor Fehlentwicklungen auf dem Immobilien- und Hypothekarmarkt derart weit aus dem Fenster gelehnt, dass die Aktivierung des Puffers eigentlich unmittelbar bevorstehen müsste. «Wir sind beunruhigt», sagte das SNB-Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg am Montagabend in der Sendung «Eco» des Schweizer Fernsehens.
Vielleicht liegt der Antrag der Nationalbank bereits auf dem Tisch des Bundesrats. Auskünfte erteilen weder die SNB noch die Bundesbehörden. Denn die Kommunikationspolitik sieht vor, dass erst nach dem Beschluss des Bundesrats informiert wird. Lehnt der Bundesrat den Antrag der Nationalbank ab, wird man möglicherweise nie etwas erfahren.
Angst vor den Auswirkungen
Die Banken wehren sich gegen die zusätzlichen Eigenmittelanforderungen. Sie könnten sogar kontraproduktiv sein, indem ein abrupter Preisrückgang ausgelöst würde, monieren die Kantonalbanken. Auch die Gefahr einer Kreditklemme wird an die Wand gemalt. Zumindest bei Wirtschaftsminister Johann-Schneider Ammann stossen die Bedenken auf offene Ohren. «Man kam bisher immer zum Schluss, dass das Instrument nach wie vor nicht nötig ist», sagte er Mitte Dezember in einem Radio-Interview. Er sei froh, dass der Puffer noch nicht ernsthaft zur Diskussion gestellt werden müsse.
Vielleicht hat sich dies über den Jahreswechsel aber geändert. «Ich glaube, diese Äusserung wurde etwas hochgeschaukelt», sagte Zurbrügg zu den Aussagen von Schneider-Ammann. Vielleicht weiss man morgen Mittwoch schon mehr – dann tritt der Bundesrat zu seiner ersten Sitzung im neuen Jahr zusammen.