In den Schweizer Büros wird es immer enger

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Mehr Angestellte pro QuadratmeterIn den Schweizer Büros wird es immer enger

Den Angestellten steht heute 30 Prozent weniger Platz zur Verfügung als vor 15 Jahren. Das bedeute Stress, sagt ein Arbeitspsychologe.

I. Strassheim
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I. Strassheim
Unternehmen schauen auf jeden Quadratmeter: In den Schweizer Büros rückt man deshalb immer näher zusammen.
Die Aufteilung der Büroräume ist entscheidend.
Das klassische Grossraumbüro hält der Arbeitspsychologe Hartmut Schulze von der Fachhochschule Nordwestschweiz für die «schlechteste der schlechten» Varianten.
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Unternehmen schauen auf jeden Quadratmeter: In den Schweizer Büros rückt man deshalb immer näher zusammen.

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Die Arbeitsbelastung lässt sich auch in Quadratmetern messen: In den letzten 15 Jahren sind die Arbeitsplätze für Büromitarbeiter von durchschnittlich 18 auf 13 Quadratmeter geschrumpft. Das ist ein Rückgang um rund 30 Prozent, wie eine Umfrage des Immobilienmaklers AMI International in Genf zeigt.

Schweizweit geht die Agentur CSL Immobilien davon aus, dass der Platz für Pult, Stuhl und Ablage auf 15 Quadratmeter zurückgegangen ist. «Treiber dafür ist der massive Kostendruck der Unternehmungen. Im Dienstleistungsbereich sind Personal und Mietzins die grössten Ausgabeposten», sagt Patricia Reichelt von CSL Immobilien zu 20 Minuten.

Anwälte haben die grössten Büros

Das Schweizer Arbeitsrecht schreibt vor, dass in einem Grossraumbüro ab fünf Mitarbeitern pro Arbeitsplatz mindestens rund 7 Quadratmeter nötig sind. In Büros mit drei oder vier Leuten sind es mindestens 8 Quadratmeter, in Büros für einen oder zwei Angestellte rund 9 Quadratmeter.

Diese Mindeststandards werden meistens mehr als erfüllt: In Anwaltskanzleien ist der Platz für die Mitarbeitenden am grössten, im Schnitt haben sie 32 Quadratmeter zur Verfügung, wie die Studie «Büromarkt 2017» des Immobilienberaters JLL zeigt. Meistens sitzen sie in repräsentativen Einzelbüros. Am wenigsten Platz haben Staatsangestellte mit einer Bürofläche von im Schnitt 15 Quadratmetern. Das dürfte auch am überdurchschnittlichen Anteil an Beschäftigten mit Teilzeitarbeit- und Desk-Sharing-Modell liegen, heisst es in der Studie.

Um Kosten zu sparen, wollen laut dem Immobilienberater JLL die meisten Unternehmen den Flächenverbrauch pro Kopf senken. Sie nutzen einen bevorstehenden Standortwechsel deswegen dazu, um den Büroplatz zu verkleinern.

Ermüdung und Kopfschmerzen als Folge

Das Urteil des Arbeitspsychologen Hartmut Schulze von der Fachhochschule Nordwestschweiz hierzu lautet: «Wenn sehr viele Leute über einen längeren Zeitraum auf engem Ort zusammen sind, ergibt das einen Crowding-Effekt.» Das bedeutet: Der individuelle Sicherheitsabstand wird überschritten. «Man sitzt näher zusammen, als man möchte, was eigentlich zur Kommunikation zwingt, man sollte sich aber auf die eigene Arbeit konzentrieren.» Die Folgen können Ermüdung und Kopfschmerzen wegen Überanstrengung sein.

«Das klassische Grossraumbüro mit festen Arbeitsplätzen und ohne spezielle Ruhe- oder Telefonzonen ist die schlechteste aller Alternativen», sagt Schulze. Der Grund: Unterbrechungen und Ablenkungen – beides die grössten Stresspunkte – sind dort am häufigsten.

Pultgrösse wechselt von Kontinent zu Kontinent

Welche Nähe noch als erträglich angesehen wird, hängt laut Schulze auch von der Kultur ab. In Asien ist man beispielsweise einen niedrigeren Sicherheitsabstand gewohnt, am Arbeitsplatz wie auch in der U-Bahn. Körperberührung zum Beispiel in Warteschlangen ist dort normal und wird nicht als aufdringlich empfunden.

Auch in den Büros ist die Dichte höher: Die Schreibpulte haben in Südostasien häufig eine deutlich geringere Tiefe als die in der Schweiz üblichen 80 Zentimeter. Entsprechend sitzen die Angestellten dort enger beieinander.

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