Ist Ebay in der Schweiz bald Geschichte?

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Web-AuktionshäuserIst Ebay in der Schweiz bald Geschichte?

Trotz weltweitem Erfolg, hat Ebay in der Schweiz gegen Ricardo.ch das Nachsehen. Laut Experten gibt es dafür einen überraschenden Grund: Ebay ist zu günstig.

Werner Grundlehner
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Werner Grundlehner

Wegen der Erfolglosigkeit von Ebay machen bereits Gerüchte über einen Rückzug aus der Schweiz die Runde. In ihrer neusten Ausgabe berichtet die «Handelszeitung», dass zahlreiche Stellen nicht mehr besetzt würden. Dabei hat alles vielversprechend begonnen: Vor elf Jahren holte die Berner Standortförderung den internationalen Hauptsitz des US-Unternehmens in die Hauptstadt.

Mittlerweile sind aber gemäss «Handelszeitung» die Steuervergünstigungen ausgelaufen und die Kontingentierung von ausländischen Spezialisten (von ausserhalb der EU) durch den Bund setzt dem US-Konzern ebenfalls zu. Es sollen nur noch 50 Mitarbeiter in den Berner Büros arbeiten, die eigentlich für 120 Angestellte konzipiert sind. Ein Gewährsmann spricht von einem «schleichenden Rückzug».

Tummelplatz für Profis

«Die Streichung der Einstellgebühr für aktive Verkäufer, sogenannte Powerseller, war in Bezug auf den Schweizer Markt ein grosser Fehler von Ebay», sagt Patrick Kessler, Präsident des Verbands Schweizer Versandhandel (VSV). Damit wurde Ebay zur professionellen Handelsplattform und die privaten Nutzer wurden vergrault. Denn: Fortan verstopften Elektronikhändler, CD-Läden etc. mit ihrem Sortiment die Kanäle.

Ebays grosser Schweizer Konkurrent Ricardo.ch hat dagegen gemäss Kessler vieles richtig gemacht: «Die Konzentration auf den Schweizer Markt hat Vertrauen geschaffen». Der Nutzer wisse, dass die gesuchten Artikel nicht aus Finnland oder den USA kommen. Es gelte das gleiche Recht und man wisse, dass man bei Betrügereien nicht hilflos sei. Nur schon eine Betreibung in Deutschland überfordere viele Personen. «Vergessen darf man aber nicht: Ricardo war bereits etabliert, als Ebay in den Schweizer Markt eintrat, dass machte die Aufgabe für die Amerikaner schwierig.» Ricardo.ch rangiert unter den meist besuchten Websites der Schweiz auf Rang zehn – Ebay.com ist weit abgeschlagen auf Platz 64.

Wem gehört's? - Südafrika

Forscht man im Internet auf User-Foren, stösst man immer wieder auf Einträge von Anwendern, die Ricardo.ch bevorzugen, weil es eine «Schweizer Plattform» sei und daher vertrauenswürdig. Auch der einfachere Aufbau der Auktionsseiten wird gelobt. Was viele nicht wissen: Das in der Schweiz gegründete Auktionshaus wurde 2008 an die südafrikanische Mediengruppe Naspers verkauft. Ricardo betreibt auch zahlreiche Auktionsseiten in osteuropäischen Ländern. Diese haben jedoch immer einen starken lokalen Bezug. «Die Landesgesellschaften agieren autonom und mischen das Angebot nicht mit anderen Ländern», sagt Kessler.

Geheimnistuerei

Wie viel besser respektive grösser, Ricardo.ch im Vergleich zu Ebay ist, ist nicht so einfach festzustellen. Alle Beteiligten geizen mit Zahlen. Auf Anfrage gibt Ricardo erst die Zahlen für 2008 bekannt. Das Unternehmen schliesst das Geschäftsjahr per Ende März ab. In der Periode 2008/09 wies Ricardo.ch einen Umsatz von rund 600 Millionen Franken aus und macht einen Marktanteil von 85 Prozent geltend. Dieser lässt sich auf viele Arten messen. Patrick Kessler schätzt, dass Ricardo gemessen am Umsatz nur rund fünf bis sechs Mal grösser ist als der US-Herausforderer in der Schweiz. Der VSV-Präsident geht für das vergangene Jahr von Transaktionsvolumen in Höhe von 750 Millionen Franken für Ricardo aus.

Auf einem Gebiet sticht indes Ebay Ricardo.ch klar aus – bei den elektronischen Zahlungssystemen. Der Dienst Moneybookers wird kaum genutzt. Im Gegensatz dazu ist Paypal das beste Pferd im Stall von Ebay und wird von zahlreichen anderen Web-Diensten verwendet. «Schaut man das weltweite Resultat von Ebay an, merkt man, dass Paypal der wichtigste Erfolgsgarant ist», ergänzt Kessler. Im ersten Quartal legte der Umsatz von Ebay gesamthaft 9 Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar zu.

Ausbau bei Ricardo

«Wir arbeiten an zahlreichen neuen Projekten, die ich noch nicht verraten kann», sagt Ricardo-Sprecherin Barbara Zimmermann. Die Weiterentwicklung der Zahlungsabwicklung sei nebst anderen Themen auch ein Anliegen des Unternehmens. Gut angelaufen sei der vor kurzem lancierte Autohandel. «Wir wollen ähnlich erfolgreich sein wie im Bereich Autozubehör, wo wir klar die Nummer eins sind», so Zimmermann. Ein neue Initiative seien zudem Ricardo-Shops für etablierte Schweizer Unternehmen. Diese Unternehmen erhalten eigene «Verkaufsbereiche» auf der Website .

Dementi bei Ebay

In einer Medienmitteilung hat Ebay mittlerweile reagiert: Ebay investiere in der Schweiz und wolle wachsen. Der Personalabbau in Bern sei die Folge der Verlegung von Marketingpersonal nach Zürich. «Obwohl Ebay hierzulande deutlich kleiner als Ricardo ist, schätze ich das Transaktionsvolumen der Amerikaner doch auf 100 bis 150 Millionen Franken», sagt Kessler. Diese Erlöse werde sich Ebay gemäss VSV-Experte auch zukünftig nicht entgehen lassen.

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