Ist Griechenland nun endlich gerettet?

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In letzter Sekunde hat die EU Griechenland mit neuen Milliarden vor der Pleite bewahrt. Wird nun alles gut - oder noch schlimmer? Was Sie über die griechische Tragödie wissen müssen.

Sandro Spaeth
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Sandro Spaeth
Politiker sind zufrieden über das zweite Hilfspaket für Griechenland. Ökonomen hingegen sind skeptisch.

Politiker sind zufrieden über das zweite Hilfspaket für Griechenland. Ökonomen hingegen sind skeptisch.

Nach einem stundenlangen Verhandlungsmarathon haben die Euro-Finanzminister am frühen Dienstagmorgen das zweite Hilfspaket für Griechenland freigegeben. Es umfasst Hilfen von 130 Milliarden Euro. Zur Kasse gebeten werden vor allem die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF). Erstmals am Sanierungspaket beteiligt sind auch private Gläubiger. Die Versicherungen und Banken verzichten sogar auf mehr Geld, als ursprünglich vereinbart.

Ist Griechenland dank des neuen Hilfspakets über den Berg?

Das Land kann erst einmal aufatmen, denn ohne die neuen Milliarden wäre Athen in den Bankrott geschlittert. Am 20. März muss der griechische Staat nämlich eine Anleihe über 14,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Endgültig aus dem Schneider ist der Staat aber nicht. Politiker feiern das zweite Rettungspaket zwar als «historisch», doch Analysten sind skeptisch, ob die neuen Milliarden ausreichen. Auch wenn alle Wirtschaftsprognosen zutreffen, liegt die Schuldenquote Athens 2020 bei leicht über 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Derzeit sind es zwar über 160 Prozent, die Maastrichter-Verträge würden aber nur eine Schuldenquote von 60 Prozent erlauben.

Weshalb hat sich die Politik so stark für die Rettung eingesetzt?

Man befürchtet, dass eine Pleite Griechenlands weitere hochverschuldete Staaten und möglicherweise auch das Bankensystem in einen Abwärtsstrudel ziehen könnte. Würde Athen den Bankrott erklären, müssten die Herausgeber von Kreditausfall-Risikoversicherungen (CDS) auf griechischen Anleihen in die Bresche springen. Ob sie dies in vollem Umfang könnten, ist ungewiss. Zu Beginn der Finanzkrise 2008 hatten Forderungen aus CDS zahlreiche Banken in die Pleite gerissen und einen Flächenbrand verursacht. Kritiker der Griechenlandhilfe monieren seit langem, dass das Geld an die Adresse Athens nur der Stabilisierung des Bankensystems diene und nicht der griechischen Wirtschaft auf die Sprünge helfe.

Werden die Hilfsmilliarden bei der griechischen Bevölkerung ankommen?

Wohl kaum. Obwohl die Bevölkerung das von der EU auferlegte Spardiktat immer mehr als Demütigung empfindet, wird Athen mit den Milliarden aus Brüssel nicht direkt den Bürgern helfen können. Die Hilfsgelder von EU und IWF kommen auf Konten der Regierung bei der EZB in Frankfurt und werden wenig später auf Konten von deutschen und französischen Banken umgebucht.

Weshalb verzichten private Gläubiger freiwillig auf Forderungen?

Hier gilt: Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Banken, Versicherungen und Hedgefonds verzichten auf 107 Milliarden Euro. Das sind sieben Milliarden mehr, als sie ursprünglich geplant hatten. Weitere 93 Milliarden tauschen die privaten Gläubiger hingegen in griechische Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten. Es bleibt aus Sicht der Banken also die Hoffnung, dass ein Teil der Forderungen beglichen werden. Die privaten Gläubiger schultern de facto Abschreibungen von 73 bis 74 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. In den seit Monaten laufenden Gesprächen war immer von 70 Prozent die Rede gewesen.

Was muss Griechenland im Gegenzug zu den Milliardenzahlungen leisten?

Die EU-Finanzminister haben das Rettungspaket für Athen an strenge Auflagen gebunden. So muss der griechische Staat durch die Reform des Steuersystems für mehr Einnahmen sorgen, bisher regulierte Märkte liberalisieren – was zu mehr Wachstum führen sollte – und vor allem weiter sparen. Die Hauptrenten werden um weitere 12 Prozent gekürzt, nachdem sie bereits vor vier Monaten um 20 Prozent gekürzt worden waren. Der Mindestlohn wird um 22 Prozent bis 32 Prozent gekürzt und beträgt weniger als 600 Euro. Zudem verlangen die Finanzminister ein Sperrkonto, auf welches die griechische Regierung nicht zugreifen kann. Dort soll Geld lagern, um künftige Schuldzinsen zu bezahlen.

Sparen sich die Griechen zu Tode?

Griechenland befindet sich in einer scharfen Rezession. Nachdem die Wirtschaft 2010 um 4,5 Prozent zurückgegangen war, schrumpfte sie im letzten Jahr beinahe 7 Prozent. «Gerade wegen den massiven Sparprogrammen ist es illusorisch zu denken, dass Griechenland in den nächsten zwei Jahren zu Wachstum zurückkehren wird», sagt Anastassios Frangulidis, Chefökonom der ZKB. Griechische Ökonomen halten es für einen Fehler, mitten in der Rezession die Löhne zu kürzen. Dadurch würden vorerst keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Die Kritiker des harten Sparregimes sind überzeugt, dass Firmen erst mehr Leute einstellen und mehr produzieren werden, wenn die Nachfrage zunimmt. Bei einer Arbeitslosigkeit von fast 21 Prozent ist dies aber nicht rasch zu erwarten.

Wird Griechenland am Schluss doch noch aus der Währungsunion ausgeschlossen?

Griechenland aus der Euro-Zone auszuschliessen ist juristisch nicht möglich. Das Land könnte aber freiwillig austreten, indem es die Europäische Union verlassen würde. Die Probleme wären damit aber nicht gelöst. Griechenland könnte zwar die Währung abwerten und würde dadurch konkurrenzfähiger werden. Aber: Beim Austritt aus dem Euro dürfte das griechische Bankensystem kollabieren und das Land in politische Unruhen stürzen. «Falls man die verkrusteten Strukturen nicht verändert, wäre Griechenland auch bei einem Bankrott und einem Austritt aus der Währungsunion nicht besser dran als jetzt», sagt Frangulidis. Es gebe keinen einfachen Weg. Der deutsche Star-Ökonom Hans-Werner Sinn forderte in einem Interview mit dem «Spiegel», den Griechen Geld zu geben, um ihnen den Austritt aus der Währungsunion zu erleichtern. Mit dem Geld sollten Banken und Staat vor dem Kollaps bewahrt werden.

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