Jeder Vierte kann seine Schulden nicht bezahlen

Aktualisiert

Payment Report 2016Jeder Vierte kann seine Schulden nicht bezahlen

Offene Arztrechnungen oder Zahlungsrückstand beim auf Pump gekauften TV-Gerät: Zurzeit können 24 Prozent der Schweizer ihre Schulden nicht begleichen.

S. Spaeth
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S. Spaeth
Vier Millionen Schweizer konnten schon einmal ihre Ausstände nicht begleichen, schreibt die Inkassofirma Intrum Justitia in ihrem neusten Consumer Payment Report.
Viel Zeit lassen sich die Schweizer fürs Bezahlen von Arztrechnungen.
Im Vergleich zu 2015 werde die Bussen zurzeit schlechter bezahlt, ...
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Vier Millionen Schweizer konnten schon einmal ihre Ausstände nicht begleichen, schreibt die Inkassofirma Intrum Justitia in ihrem neusten Consumer Payment Report.

Keystone/Martin Ruetschi

Die Zahlen tönen alarmierend: Vier Millionen Schweizer konnten schon einmal ihre Schulden nicht begleichen, schreibt die Inkassofirma Intrum Justitia in ihrem neusten Consumer Payment Report. Und sogar heute könne jeder Vierte seine Ausstände nicht bezahlen. Für die repräsentative Studie hat das Inkassounternehmen in der Schweiz 1000 Erwachsene befragt.

Am meisten Zeit lassen sich die Schweizer im laufenden Jahr beim Bezahlen von Arztrechnungen und Verkehrsbussen, sagt Thomas Hutter, Managing Director von Intrum Justitia, zu 20 Minuten. Im Vergleich zu 2015 würden die Bussen derzeit schlechter bezahlt, dafür die Steuerschulden etwas früher beglichen. Ein Drittel der Schweizer gibt zudem an, eine unvorhergesehene Ausgabe von über 2200 Franken ohne geliehenes Geld nicht bezahlen zu können. Experten raten, mindestens die Krankenkassen-Franchise sowie den jährlichen Höchstbetrag des Selbstbehalts von 700 Franken auf der hohen Kante zu haben.

Jeder Siebte hat die finanzielle Situation nicht im Griff

Sind die von Intrum Justitia veröffentlichten Resultate Angstmacherei einer Inkassofirma oder Schweizer Realität? Die Zahlen seien eher ein bisschen übertrieben und darum gute Werbung für ein Inkassounternehmen, sagt Schuldenberater Sébastien Mercier zu 20 Minuten. Man dürfe die finanziellen Probleme der Bevölkerung aber nicht unterschätzen.

Laut einer Studie des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2013 leben in der Schweiz knapp 18 Prozent der Bevölkerung (inklusive Kinder) in einem Haushalt mit mindestens einem Zahlungsrückstand. Das heisst laut dem Schuldenberater aber nicht, dass die Betroffenen den Zahlungsrückstand nicht kurzfristig verkraften könnten.

14 Prozent der Schweizer sagen laut dem Consumer Payment Report, sie hätten ihre finanzielle Situation nicht unter Kontrolle. Ein Drittel der Befragten gibt zudem an, sie hätten Angst, dass ihnen nach dem Bezahlen aller Rechnungen nicht genügend Geld bleibt. «Je nach Kredit- und Kundenkarten kann man heute etwas kaufen, es aber erst in einem Jahr bezahlen. Das erschwert die Kontrolle über die Finanzen», so Mercier. Viele Leute unterschätzten die Kosten von Krediten massiv.

Wie viel auf Pump ist erlaubt?

2013 lebte laut dem BFS knapp ein Drittel der Bevölkerung (inklusive Kinder) in einem Haushalt mit einem Konsumkredit, einer Leasingrate oder mit Schulden bei Freunden. Knapp 20 Prozent lebten in einem Haushalt mit einem Auto auf Pump. Der lockere Umgang mit Konsumkrediten zeigt sich auch im Payment Report 2016: Demnach sind zwölf Prozent der Schweizer der Meinung, es sei in Ordnung, Konsumgüter wie Fernseher und Computer mit geliehenem Geld zu kaufen, für neun Prozent sind sogar Ferien auf Pump in Ordnung.

«Es scheint heute üblicher zu sein, Konsumgüter mit geborgtem Geld zu kaufen – man sollte dabei jedoch im Auge behalten, nicht immer tiefer in die Schuldenspirale zu geraten», sagt Intrum-Justitia-Chef Thomas Hutter. Viel deutlicher äussert sich Schuldenberater Mercier: «Konsum auf Pump lohnt sich niemals, es kostet einfach mehr Geld!»

Was Schuldenberater Sébastian Mercier rät und wie er die Ergebnisse aus dem Consumer Payment Report einordnet, lesen Sie später im Interview auf 20minuten.ch

Liebe hört aufs Portemonnaie

Besonders bei jungen Eltern hört Liebe immer häufiger aufs Portemonnaie. Fast ein Viertel aller befragten Eltern im Alter von 18-35 Jahren bleiben zugunsten der Kinder und der finanziellen Situation in einer Beziehung, obwohl sie sich nicht mehr lieben, heisst es im Consumer Payment Report 2016 von Intrum Justitia. Bei Eltern mit älteren Kindern zeigt sich dieser Trend weniger stark, aber auch dort gilt: Geld ist häufig ein Grund, trotz fehlender Liebe zusammen zu bleiben.

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