Jetzt macht die Finma den Banken Beine

Aktualisiert

Heimlich Kunden abgezocktJetzt macht die Finma den Banken Beine

Die Finma macht Schluss mit dem «amtlich bewilligten Versteckspiel»: Die Schweizer Banken müssen ihre Kunden über zurückbehaltene Provisionen informieren. Es geht um Milliarden.

von
Balz Bruppacher
Die scharfen Auflagen der Finma im Fall der illegal zurückbehaltenen Provisionen, die eigentlich den Kunden gehören, dürfte für Bewegung am Paradeplatz sorgen.

Die scharfen Auflagen der Finma im Fall der illegal zurückbehaltenen Provisionen, die eigentlich den Kunden gehören, dürfte für Bewegung am Paradeplatz sorgen.

Die Finma-Mitteilung 41 vom letzten Montag ist auf der Homepage der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma versteckt. Die 5 Seiten unter dem Titel «Aufsichtsrechtliche Massnahmen - Retrozessionen» haben es in sich. Es geht um die Konsequenzen aus einem Bundesgerichtsurteil von Ende Oktober. Die Lausanner Richter hatten entschieden, dass die Banken sogenannte Retrozessionen grundsätzlich an die Kunden weitergeben müssen.

Vier konkrete Auflagen macht die Finma nun den Banken: Erstens müssen sie dem neuen Bundesgerichtsentscheid «im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit umgehend Rechnung tragen». Zweitens werden die Banken verpflichtet, zur Herstellung der notwendigen Transparenz alle potenziell betroffenen Kunden zu kontaktieren und über das Bundesgerichtsurteil in Kenntnis zu setzen. Drittens müssen die Banken diese Kunden darüber informieren, an welche Stelle innerhalb der Bank sie sich für weitere Auskünfte wenden können. Und viertens sind die Kunden auf Anfrage über den Umfang der erhaltenen Rückvergütungen zu informieren.

Rückforderungen in Milliardenhöhe?

Das Bundesgericht hat die Klage eines UBS-Kunden gutgeheissen und damit einen Grundsatzentscheid aus dem Jahre 2006 über die Retrozessionen verdeutlicht. Die Banken sind auch im Falle von sogenannten Bestandespflegekommissionen zu Transparenz und zur Weitergabe an die Kunden verpflichtet. Selbst dann, wenn es um konzerninterne Vergütungen geht. Die Banken dürfen die Retrozessionen nur dann behalten, wenn sie eine Verzichtserklärung des Kunden haben. Vom Entscheid sind zahlreiche Bankkunden - neben Privaten auch Pensionskassen - betroffen.

Experten rechneten vor, dass Rückforderungen für Retrozessionen in zweistelliger Milliardenhöhe zur Diskussion stehen könnten. Allerdings müssen die Kunden ihre Ansprüche auf zivilrechtlichem Weg geltend machen. Das heisst aufwändige Prozesse mit hohen Kostenvorschüssen und ungewissem Ausgang, weil die Lage nicht immer eindeutig ist.

Schluss mit dem «amtlich bewilligten Versteckspiel»

Die Finma hatte sich in der Frage der Retrozessionen bisher zurückgehalten. Und war deswegen scharf kritisiert worden. So geisselte der ehemalige SP-Nationalrat und Preisüberwacher Rudolf Strahm ein Finma-Rundschreiben aus dem Jahre 2009 über den Umgang mit Retrozessionen als «amtlich bewilligtes Versteckspiel». Die Finma ihrerseits verwies auf fehlende gesetzliche Grundlagen.

Auch in der jetzt veröffentlichten Mitteilung erinnert die Aufsichtsbehörde daran, sie sei nicht zuständig «für die Beurteilung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zwischen Beaufsichtigten und ihren Kunden». Aber: Banken müssen gemäss Finma so organisiert und geführt sein, dass die Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten insgesamt gewährleistet ist.

Die Aufsichtsbehörde greift zur Begründung der angeordneten Massnahmen also auf das gesetzliche Gebot der einwandfreien Geschäftstätigkeit zurück. Das ist eine Art Generalklausel, mit der die Bankenaufseher auch Massnahmen zum Schutz der Reputation und der Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes begründen.

Was sind Retrozessionen?

Retrozessionen sind Provisionen, die Banken und andere Vermögensverwalter beim Verkauf von Anlagefonds und anderen Finanzprodukten von den Anbietern dieser Anlageinstrumente erhalten. Diese Provisionen werden auch als Kickbacks bezeichnet, was den Charakter dieser Zahlungen in die Nähe von Schmiergeldern rückt. Das verdeutlicht den Interessenskonflikt, der durch solche Entschädigungen entstehen kann. Banken und Vermögensverwalter können durch diese Kickbacks nämlich in Versuchung geraten, den Kunden vor allem jene Produkte anzudienen, die die höchsten Provisionen abwerfen. (bb)

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