HungerkriseKein Rettungspaket für die Hungernden der Welt
Weltweit geben die Staaten für die Banken über vier Billionen Franken aus. Doch für die knapp ein Milliarde Menschen, die Hunger leiden, gibt es praktisch nichts. Laut der Hilfsorganisation Oxfam sind die Nahrungsmittel im vergangenen Jahr massiv teurer geworden. Doch nicht die Bauern profitieren, sondern nur die grossen Lebensmittelkonzerne.
Vor ein paar Monaten beherrschten die gestiegenen Lebensmittelpreise noch die Schlagzeilen. Die Welt, vor allem die westliche, nahm Anteil am Schicksal der Hungernden. Weltweit sind mittlerweile fast eine Milliarde Menschen von Hunger betroffen – Tendenz steigend.
Die internationale Gemeinschaft hat laut Oxfam bisher völlig unzureichend auf die weltweite Nahrungsmittelkrise reagiert. «Während für die Finanzkrise Milliardenbeträge bereitgestellt werden, scheint die Welternährungskrise vergessen», kritisiert Marita Wiggerthale, Handelsexpertin von Oxfam Deutschland. Von versprochenen 12,3 Milliarden US-Dollar Hilfsgeldern sei bisher lediglich eine Milliarde ausgezahlt worden. Für die Banken hingegen konnten die Länder der westlichen Hemisphäre sehr schnell sehr viel Geld bereitstellen. Dabei wären laut Schätzungen der UNO für die Bekämpfung der Hungerkrise «nur» 25 bis 40 Milliarden Dollar nötig.
Zwei Drittel des Einkommens für Nahrung
Die Beispiele für die Preissteigerungen sind extrem: Innerhalb von 14 Monaten ist der Preis für Reis in Bangladesch um 66 Prozent gestiegen. Im Senegal schnellte der Weizenpreis um 100 Prozent in die Höhe, in Somalia sogar um 300 Prozent. Gleichzeitig kletterten die Preise für Pestizide und Saatgut um das Dreifache. «Man sollte meinen, dass auch die Millionen von Kleinbauern in den armen Ländern vom jüngsten Anstieg der Nahrungsmittelpreise profitieren", sagt Wiggerthale. Doch genau das trifft nicht zu. Die meisten der Bauern sind laut «Spiegel Online» auch Konsumenten und spüren die Preissteigerungen unmittelbar. So gibt in Entwicklungsländern eine Familie bis zu zwei Drittel ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. In der Oxfam-Studie heisst es dazu etwas martialisch: «Schon eine leichte Teuerung treibt die Ärmsten der Armen in den Hungertod!»
Lebensmittelgiganten wie Nestlé als Profiteure
«Im Gegensatz dazu profitierten einige internationale Lebensmittelkonzerne und Supermarktketten kräftig vom Anstieg der Lebensmittelpreise», empört sich Wiggerthale. So habe Nestlé im ersten Halbjahr 2008 den weltweiten Umsatz um neun Prozent gesteigert und die englische Supermarktkette Tesco meldet Gewinnsteigerungen von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch der weltweit grösste Saatgut-Hersteller Monsanto konnte sich im ersten Quartal 2008 über einen Rekorderlös von 3,6 Milliarden US-Dollar und eine Gewinnsteigerung um 26 Prozent freuen.
Reaktion der reichen Länder «völlig unangemessen»
Oxfam rügt, dass die reichen Länder mit dem Kritisieren der Entwicklungsländer zu viel Zeit vergeudet haben, anstatt selbst nach Lösungen zu suchen. Zudem würden Agrardumping und Marktöffnung weiter vorangetrieben. «Die Mitgliedsstaaten der EU zwingen die armen Länder Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums (AKP), ihre Märkte für Waren, Investitionen und Dienstleistungen aus Deutschland und der EU zu öffnen", so Wiggerthale. Die Ernährungssicherheit dieser Länder komme beim Abschluss der Freihandelsabkommen unter die Räder.
Mehr-Punkte-Programm als Lösung
Oxfam schlägt als Ausweg aus der Nahrungsmittelkrise ein Mehr-Punkte-Programm vor. So sollen unter anderem die Entwicklungsländer die Kleinbauern langfristig unterstützen und die öffentlichen Investitionen in die Landwirtschaft steigern. Die Regierungen sollen ausserdem die Gewerkschaften stärken und mit Geld aus den Industrieländern die sozialstaatlichen Ausgaben erhöhen. Weiter verlangt Oxfam eine Task Force unter dem Vorsitz der UNO, in der ausserdem die Weltbank und die reichen Industriestaaten Einsitz nehmen. (scc/rmd)