Pessimismus schlägt gute Prognosen

Aktualisiert

KonjunkturPessimismus schlägt gute Prognosen

Mitten im krisengeschüttelten Europa geht es der Schweiz fast unanständig gut. Blinde Zuversicht ist allerdings fehl am Platz.

Balz Bruppacher
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Balz Bruppacher

«In der Schweiz kommt es im weiteren Verlauf des Jahres zu einer deutlichen Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität», sagte Nationalbankpräsident Thomas Jordan Mitte Juni. Und warnte: «Die Risiken für die Schweizer Konjunktur bleiben aussergewöhnlich hoch.» Von einem konjunkturellen Wetterwechsel ist bisher allerdings wenig zu spüren.

Im Gegenteil: Das Konjunkturbarometer der renommierten Konjunkturforschungsstelle KOF an der ETH Zürich kletterte im Juli auf den höchsten Stand dieses Jahres. Demnach müsste das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten sogar noch zusätzlichen Schwung erhalten. Die meisten Konjunkturprognosen sind schon im Frühsommer nach oben revidiert worden. Auf eine Zunahme des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) von rund 1,5 Prozent im laufenden Jahr. Kommt nun alles noch besser?

Ein zu rosiges Bild

Für Felix Brill, Ökonom des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partners, vermittelt das KOF-Barometer eher ein zu rosiges Bild. Der private Konsum – er steuert rund 60 Prozent zum BIP bei - dürfte zwar eine Stütze der Konjunktur bleiben. Brill verweist auf die negative Teuerung und die sinkenden Importpreise und sagt: «Das kommt einer schönen Lohnerhöhung gleich». Das internationale Umfeld habe sich aber eindeutig verschlechtert. Das werde sich nicht nur bremsend auf die Exporte auswirken, sondern auch die Investitionstätigkeit der Schweizer Wirtschaft hemmen. «Ich gehe davon aus, dass wir das Schlimmste noch nicht hinter uns haben», sagt Brill. Auf dem Arbeitsmarkt rechnet er in den kommenden Monaten mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Viele Unternehmen stünden auch vor Entscheidungen über Produktionsverlagerungen ins Ausland.

Zuwanderung fördert Konsum

Als «etwas überoptimistisch» stufen auch die Ökonomen der Zürcher Kantonalbank (ZKB) die KOF-Daten ein. Die könnte an auf die relativ starke Fokussierung des KOF-Barometers auf die Schweizer Binnenwirtschaft zurückzuführen sein. «Die tiefe Arbeitslosigkeit und die anhaltende Zuwanderung treiben den Konsum und stabilisieren die Konjunktur», schreibt die ZKB in ihrem Marktkommentar. Wegen der schwächelnden Exporte rechnen sie aber weiter damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten abkühlen wird.

Rezession im Ausland bremst Schweizer Export

Der Anstieg des KOF-Konjunkturbarometers erwecke den Eindruck, dass die Schweizer Wirtschaft die neuerliche Verschärfung der Krise in der Eurozone derzeit relativ gut überstehe und sich sogar weiter verbessere, stellt Credit-Suisse-Ökonom Björn Eberhardt fest. Und fügt hinzu: «Wir bleiben jedoch vorsichtig». Andere Indikatoren wie der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe deuteten immer auf eine weiter abnehmende Aktivität hin. «Zudem haben sich die meisten Vorlaufindikatoren in den wichtigsten europäischen Volkswirtschaften gerade wieder deutlich verschlechtert», gibt der CS-Ökonom zu bedenken.

Bricht die Auslandnachfrage ein, würde das die Exportwirtschaft stärker treffen als der nach wie vor starke Franken. Ökonomen haben errechnet, dass die Exporte auf Nachfrageänderungen vier- bis fünfmal so stark reagieren wie auf Veränderungen des Wechselkurses. Wichtige Exportländer wie Italien, Grossbritannien und Spanien befinden sich bereits in der Rezession. Ein stärkerer Rückschlag ist auch in Deutschland und den USA nicht ausgeschlossen. Der Ausblick bleibe «gefährlich trüb», hält CS-Ökonom Eberhardt fest.

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