Eternit-ProzessSchmidheiny zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt
Das Berufungsgericht von Turin hat den Schweizer Milliardär Stephan Schmidheiny im Asbest-Prozess zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Sprecher von Schmidheiny bezeichnet das Urteil als «skandalös».

Mit Reisen nach Italien ist für Stephan Schmidheiny vorerst Schluss.
Im Asbest-Prozess hat ein italienisches Berufungsgericht das Strafmass gegen den früheren Eternit-Miteigentümer Stephan Schmidheiny erhöht: Der Schweizer Unternehmer muss laut dem am Montag vom Gericht in Turin gefällten Urteil für 18 Jahre ins Gefängnis.
Schmidheiny-Sprecher Peter Schürmann schreibt auf Anfrage von 20 Minuten, dass das Urteil «selbstverständlich» an den Kassationshof in Rom weitergezogen werde. Er bezeichnet das Urteil als «skandalös» und einmalig in Europa. Es sei «absurd», dass man eine weltweite soziale Tragödie, die Asbest verursacht hat, an einer einzelnen Person festmachen wolle. Besonders schwerwiegend seien die Vorverurteilungen, in denen Stephan Schmidheiny mit Hitler verglichen wurden. Einen solchen Vergleich könne man nur als besonders «bösartige Zerstörung der Unschuldsvermutung interpretieren», heisst es in der Pressemitteilung.
Keine Auslandreisen mehr?
In erster Instanz war Schmidheiny vor einem Jahr zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte ihn sowie den früheren belgischen Eternit-Manager Louis de Cartier de Marchienne wegen des Todes von rund 3000 Arbeitern und Anwohnern der italienischen Eternit-Werke für schuldig befunden. Das Verfahren gegen de Cartier wurde am Montag eingestellt, nachdem der Angeklagte im Mai verstorben war.
Was bedeutet das Urteil für Stephan Schmidheiny bei Reisen ins Ausland? Reist er jetzt nach Italien würde er in U-Haft genommen. Doch auch im Ausland ist Schmidheiny nicht mehr sicher. «Es besteht ein grosses Risiko, dass er in der Drittländern festgenommen wird» so ein Schweizer Strafrechtsexperte. Grundlage für eine Auslieferung ist ein internationaler Haftbefehl, der üblicherweise nach dem letztinstanzlichen Urteil ausgesprochen wird. Zudem muss das jeweilige Land ein Auslieferungsabkommen mit Italien haben. Schon einmal alle EU-Staaten sind somit für den Schweizer Unternehmer tabu.
Klar ist: Die Schweiz liefert ihre Bürger nicht aus. Das tun auch andere Länder nicht. Schmidheiny-Sprecher Schürmann wollte auf Anfrage nicht bekanntgeben, wo sich Stephan Schmidheiny derzeit aufhält, er habe aber Wohnsitz in der Schweiz und bezahle auch hier Steuern. Auf die Frage ob der in Italien Verurteilte überhaupt noch reisen könne hiess es, Herr Schmidheiny sei «eine Privatperson, zu seinen Reisen und Reiseplänen geben wir keine Auskunft».
Einstige Wunderfaser
Nach Überzeugung des Gerichts verursachten die beiden Angeklagten eine Umweltkatastrophe und missachteten Sicherheitsregeln in den seinerzeit vier italienischen Eternit-Fabriken. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelte es sich um den grössten Prozess, der jemals in der Auseinandersetzung mit der einstigen vermeintlichen Wunderfaser Asbest geführt wurde.
Die italienische Niederlassung von Eternit ging 1986 Pleite - sechs Jahre, bevor Asbest in Italien verboten wurde. Wegen seiner hohen Hitze- und Feuerbeständigkeit und guten Isolationseigenschaften wurde vor allem Asbestzement lange in der Bauindustrie eingesetzt.
Das Einatmen von Asbestpartikeln kann Lungenkrebs auslösen. Die Symptome können noch nach 20 Jahren auftreten. 2005 wurde Asbest in Europa verboten, doch in Entwicklungsländern findet es weiterhin Verwendung.
(whr/sas/dno/sda)