Grosser ÄrgerSmartphones machen immer schneller schlapp
2,9 Millionen Schweizer haben ein Smartphone. Und die meisten kaufen sich bei Vertragsverlängerung jeweils ein neues. Nicht weil sie wollen – sondern, weil sie müssen.
Praktisch jeder zweite Schweizer zwischen 15 und 74 Jahren besitzt ein Smartphone. Laut dem Internetvergleichsdienst Comparis sind es bei den jungen Erwachsenen sogar schon rund vier von fünf Personen. Noch vor fünf Jahren besassen knapp drei Prozent ein solches Wunderding.
Der Boom freut Hersteller und Anbieter. Die Schattenseite: Die Nachfrage generiert sich nicht bloss aus Erstkunden und Nerds, die ausschliesslich das neuste iPhone wollen. Immer mehr Smartphone-Käufer machen die Erfahrung, dass ihr noch nicht einmal zwei Jahre altes Gerät kaum mehr brauchbar ist.
Leser Daniel S. etwa hat Anfang letzten Jahres über 200 Franken für sein Android-Gerät ausgegeben und erst noch einen 24-Monate-Vertrag gelöst. «Aber jetzt kann ich keinen einziges App mehr downloaden, weil der Speicherplatz schlicht nicht mehr reicht», klagt er.
Mehr als ein Konstruktionsproblem
Daniel S. ist kein Einzelfall. Bei Mobilezone kennt man das Problem von fehlendem Speicherplatz oder immer lahmeren Handys gut. «Wir sind in unseren Shops immer wieder damit konfrontiert, dass Smartphone-Apps bei etwas älteren Geräten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt funktionieren», sagt Sprecher Lukas Herzog.
Kurt Haupt, Telecom-Experte bei der Fachpublikation Home Electronics weiss auch weshalb. «Vor allem das Betriebssystem Android hat ein Konstruktionsproblem: Viele Apps können bei den Geräten der ersten Generation nicht ausgelagert werden», erklärt er. Zudem hätten viele Hersteller die internen Speicher nur sehr knapp bemessen.
Bei den neusten Android-Geräten sei der Makel zwar behoben. Dennoch glaubt Haupt nicht, dass Konsumenten ihre Handys – egal mit welchem Betriebssystem – künftig länger vollwertig nutzen können als ein bis zwei Jahre. «Denn jede Mehrleistung bedeutet noch mehr Prozessor- oder Speicherleistung. Zudem nehmen die App-Hersteller absolut keine Rücksicht auf die Besitzer älterer Geräte», warnt er.
Druck auf Rohstoffproduktion
Für Ralf Beyeler, Telecomexperte bei Comparis, ist das nicht nachvollziehbar. «Eine Firmware muss gerätespezifisch angepasst werden. Da wäre es doch logisch, wenn die Hersteller die technologischen Voraussetzungen eines Gerätes beachten würden», gibt er zu bedenken. Ebenso sei unverständlich, weshalb Handys nicht mit austauschbaren Prozessoren oder internen Speichern versehen würden.
Dem schliesst sich Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik bei «Brot für alle» an. Gemeinsam mit dem «Fastenopfer» hat die Nonprofitorganisation die Plattform faircomputer.ch ins Leben gerufen. «Der verkürzte Lebenszyklus von Handys führt dazu, dass der Druck auf die Rohstoffproduktion wächst», sagt er. Das wiederum habe schlechtere Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen in den Abbaugebieten der Rohmaterialien in der Dritten Welt zur Folge. «Ein Handy, das man länger nutzen kann, bewirkt also viel», gibt er zu bedenken.
Unbefriedigende Lösungen
Die momentan einzigen Lösungen begeistern nicht. Bei Mobilezone rät das Verkaufspersonal, das Smartphone jeweils ganz abzuschalten, um den Arbeitsspeicher zu entlasten, den Zwischenspeicher (Cache) regelmässig mit einem Hard Reset zu leeren und bei vollem internen Speicher Daten zu löschen.
Haupt rät derweil lakonisch: «Wer auch künftig sein Handy fünf Jahre nutzen will, muss die Apps, die er benötigt, installieren und danach sein Smartphone vom Appstore abmelden sowie auf die Updates verzichten.»