Lohn-LändervergleichTeuerung frisst die Lohnerhöhung weg
In der Schweiz werden die Löhne laut einer Umfrage nächstes Jahr um 2,3 Prozent steigen – das ist der tiefste Wert von 17 untersuchten Ländern. Beim Blick auf die Teuerung hellt sich das Bild auf.
Sind unsere Konzerne geizig im Umgang mit ihrem Personal? Ein neues Ranking über Lohnbudgets scheint diesen Verdacht auf den ersten Blick zu bestätigen: Die amerikanische Non-Profit-Organisation Worldatwork befragte im April dieses Jahres 5207 Unternehmen in 17 Ländern über die Entwicklung ihrer Lohnbudgets.
Mit Zunahmen von 2,3 Prozent in diesem und im nächsten Jahr fasst die Schweiz die rote Laterne auf der Rangliste. Zusammen mit Holland ist die Schweiz zudem das einzige Land, in dem 2014 kein höheres Lohnwachstum in Aussicht ist.
Wie viel bleibt im Portemonnaie?
Den Spitzenplatz punkto Lohnaufbesserung nimmt Indien ein, mit Zunahmen von 10,5 Prozent in diesem und 10,9 Prozent im nächsten Jahr. In China wollen die Unternehmen gemäss der Umfrage dieses Jahr 8,2 Prozent und 2014 8,5 Prozent mehr Lohn zahlen. Brasilien folgt an dritter Stelle mit Aufbesserungen von 6,8 beziehungsweise 7,2 Prozent. Von unseren grossen Nachbarländern zeigen sich die deutschen Konzerne am grosszügigsten mit Lohnerhöhungen von 2,9 beziehungsweise 3,0 Prozent. In Italien und Frankreich bewegt sich die Zunahme der Lohnsummen zwischen 2,7 und 2,9 Prozent.
Der Haken an diesem Ranking – und darauf weisem die Autoren selber hin – ist, dass es sich um Nominallöhne handelt. Nicht berücksichtigt ist also jener Teil des Lohns, der von der Teuerung weggefressen wird. Was das ausmachen kann, wird am Beispiel jener Länder deutlich, die an der Spitze beziehungsweise am Schwanz der Liste liegen, also am Beispiel Indiens und der Schweiz.
In Indien wird die Inflation dieses Jahr laut OECD 8,4 Prozent betragen. Von der Lohnaufbesserung von 10,5 Prozent bleiben nach Abzug der Teuerung also noch 2,1 Prozent Reallohnzunahme übrig. In der Schweiz wird das Preisniveau dieses Jahr gemäss Prognose der Nationalbank hingegen um 0,3 Prozent sinken. Das heisst, die Löhne steigen hier real nicht bloss um 2,3, sondern um 2,6 Prozent.
Nur Chinesen stehen real besser da
Bereinigt um die erwarteten Teuerungsraten schneidet die Schweiz punkto Lohnerhöhung von den 17 Ländern am zweitbesten ab. In China steigt die reale Lohnsumme am Abstand am stärksten, nämlich um 5,7 Prozent. Das ist ein Spiegelbild des starken Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahren. Erfahrungsgemäss wirken sich konjunkturelle Veränderungen erst mit einer gewissen Verzögerung auf die Löhne aus.
Zu den Schweizer Daten, die in der Umfrage ermittelt wurden, muss ein weiterer Vorbehalt gemacht werden: Die Schweiz wurde erstmals einbezogen. Die vollständige Studie wird zudem erst Anfang August veröffentlicht. Die Zunahme von 2,3 Prozent bei den Schweizer Lohnbudgets ist verglichen mit hiesigen Prognosen sehr hoch.
Das Bundesamt für Statistik (BFS) wird am Freitag Zahlen über die Lohnabschlüsse 2013 veröffentlichen. Für das erste Quartal dieses Jahres schätzte das BFS die Nominallohnzuname gegenüber dem Vorjahr lediglich auf 0,8 Prozent.