FinanzkrisenVorsicht vor dem September!
Bankenkrisen brechen laut einer neuen Studie von zwei IWF-Ökonomen besonders häufig im September aus. Das könnte auch dieses Jahr der Fall sein, sagt Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann.

Am 15. September 2008 brach die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammen und liess das weltweite Finanzsystem erschüttern.
147 Bankkrisen, 218 Währungskrisen und 66 Staatsschuldenkrisen: Diese Schadensbilanz in der Finanzwelt legen zwei Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Jahre 1970 bis 2011 vor. Allein seit 2007 sind in 25 Ländern Bankkrisen im Gang – die grösste Welle seit der Grossen Depression in den 1930er-Jahren. Davon werden acht Krisen als Grenzfälle eingestuft. Darunter auch jene der Schweiz mit dem Rettungspaket für die UBS im Oktober 2008.
Auf den ersten Blick überraschend ist die Verteilung der Krisen auf die einzelnen Monate. Mit Abstand am häufigsten brechen Bankkrisen demnach im Monat September aus. Erklärungen für dieses Phänomen liefern die beiden Autoren Luc Laeven und Fabian Valencia nicht. Aus dem Anhang geht aber hervor, dass 22 der 147 Bankkrisen im Jahr 2008 ausbrachen. Also in jenem Jahr, als am 15. September die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammenkrachte und weltweite Erschütterungen im Finanzsystem auslöste.
Der September ist als Krisenmonat aber auch aus früheren Zeiten bekannt. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann erinnert an den Zusammenbruch des Goldstandards im Jahre 1931, an die Abwertung des Schweizer Frankens im Jahre 1936 und an die Pfund-Krise von 1992, die das Europäische Währungssystem EWS beinahe zum Einsturz brachte. Stets spitzte sich die Lage im September zu.
Sommerferien-Effekt vermutet
Wissenschaftliche Untersuchungen über die Gründe gibt es nicht. «Das muss etwas mit den Sommerferien zu tun haben», vermutet Straumann. Wegen der Ferienabwesenheit vieler Leute seien wenige Player in der Lage, die Märkte zu bewegen. So könne sich die Krise aufbauen. «Und nach den Ferien verschlimmert sich die Situation, wenn die Leute realisieren, was los ist.» Der Wirtschaftshistoriker kann sich ein solches Szenario auch in diesem Jahr vorstellen: Nach einer gewissen Entspannung in den Sommermonaten könnte die Krise in den Monaten September, Oktober und November wieder voll eskalieren.
Der September hat auch bei den Börsianern einen schlechten Ruf. Er fasst die rote Laterne, wenn man die monatliche Kursentwicklung an den Aktienbörsen über einen langen Zeitraum unter die Lupe nimmt. Sei's drum! Eine australische Studie kommt zum Schluss, dass der September neben dem November in den letzten drei Jahrzehnten der einzige Monat ist, in dem ein signifikanter Anstieg des Goldpreises festzustellen ist.
Goldkauf lindert den «Winter-Blues»
Der Autor Dirk Baur nennt drei mögliche Erklärungen für den «Herbst-Effekt» beim Goldpreis: Erstens gibt es Anleger, die sich mit Goldkäufen gegen das Crash-Risiko auf den Finanzmärkten absichern wollen. Zweitens könnte die Goldnachfrage wegen der Heiratssaison in Indien und dem bevorstehenden Weihnachtsgeschäft steigen. Und drittens ist da noch der «Winter-Blues»: Der Glanz des Goldes würde demnach jenen des Sonnenlichts in der Zeit der kürzer werdenden Tage ersetzen.
Der «keltische Tiger» muss unten durch
Am krisenanfälligsten sind gemäss dem IWF-Arbeitspapier Argentinien und die Demokratische Republik Kongo mit vier bzw. drei Bankkrisen seit 1970. Zahlreiche weitere Länder wurden zwei Mal heimgesucht. Die Krise in Indonesien von 1997 kam den Staat am teuersten zu stehen, wenn man die Kosten in Prozent des Bruttoinlandprodukts ausdrückt. An zweiter Stelle folgt die Krise Argentiniens im Jahre 1980. Mit Irland und Island figurieren auch zwei Staaten, die zurzeit noch nicht über dem Berg sind, auf der Liste der 10 kostspieligsten Krisen. Diese beiden Länder sind ebenfalls unter den Top Ten, wenn man den Schaden im Anstieg der Staatsschulden misst. Irland als «keltischer Tiger» von neoliberalen Ökonomen einst auch der Schweiz als Vorbild vorgehalten ist überdies auf der Liste der 10 Staaten mit den grössten Wachstumseinbussen und damit als einiges Land auf allen drei Schadenshitlisten vertreten.