Trotz Roaming-GebührenWenn über Italien telefonieren billiger ist
Die Schweiz ist bei den Telefongebühren eine Hochpreisinsel. Absurder Höhenpunkt: Unter Umständen ist es hierzulande günstiger, mit einer italienischen Prepaid-Card zu telefonieren.

Wer mit dem Mobiltelefon vom Ausland in die Schweiz anruft, fürchtet sich vor der Roaming-Falle. Doch nicht immer ist das Gespräch vom Ausland in die Heimat teurer als der Anruf innerhalb der Schweiz. Das gilt insbesondere für Besitzer von Prepaid-Karten. Kürzlich hat der italienische Telecom-Anbieter TIM seine Kunden über eine bis Anfang September gültige Gratis-Option (Tim in Viaggio) informiert, womit alle Anrufe innerhalb der EU (inklusive Schweiz) und auch in die USA einen Minutentarif von 16 Cent kosten (plus 16 Cent für den Anrufaufbau). Das ist umgerechnet etwas mehr als 19 Rappen pro Minute – oder günstiger als mit einem gewöhnlichen Swisscom-Prepaid-Handy (easy liberty UNO) auf ein Netz der Schweizer Konkurrenz anzurufen.
Die Kostenfalle im Swisscom-Easy-Angebot schnappt nämlich bei Anrufen auf fremde Netze zu. Während Gespräche von der Schweiz auf eine Swisscom-Mobile-Nummer oder ins Festnetz pro angefangene Stunde 80 Rappen kosten, schlägt der Anruf auf ein fremdes Netz mit 70 Rappen pro Minute zu Buche. Zum Vergleich: Beim M-Budgt-Prepaid-Angebot der Migros kostet der Minutentarif in alle Netze der Schweiz und nach Europa 28 Rappen. Bei der Sunrise-Prepaid-Lösung sind es 30 Rappen, wobei hier nur die ersten drei Minuten bezahlt werden müssen.
Durchschnittsanruf dauert nur zwei Minuten
«Die 80 Rappen pro Stunde tönen besser als sie sind», sagt Comparis-Telekom-Experte Ralf Beyeler. Die meisten Leute führten nur kurze Gespräche. Das sagt auch die neuste Fernmeldestatistik des Bundes. Demnach beträgt die Dauer eines von einem Mobiltelefon geführten Gesprächs in der Schweiz im Schnitt 2,06 Minuten. «Geht man von dieser Gesprächsdauer aus, ist die italienische SIM-Karte auch für Anrufe auf Swisscom-Anschlüsse und ins nationale Festnetz günstiger», sagt Beyeler. Anders gesagt: Der Zwei-Minuten-Anruf «Schatz, ich mache mich gleich auf den Weg» kostet mit der Swisscom-Prepaid-Lösung 80 Rappen, über die TIM-Reise-Option wären es umgerechnet nur rund 58 Rappen.
Der Kauf einer TIM-Prepaid-Lösung verbunden mit der Viaggio-Option lohnt sich auch für Vielreisende mit Abos eines Schweizer Mobilfunkanbieters. So belaufen sich die Standardgebühren für viele Anrufe von Europa (z. B. Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich) in die Schweiz laut einem Roaming-Preisvergleich von Comparis bei Sunrise und Orange auf je 1.70 Franken pro Minute, bei der Swisscom sind es 75 Rappen.
Verhandlungsgeschick der Italiener
Wie ist dieser Günstig-Tarif der Italiener möglich? Der Anbieter TIM macht laut Comparis-Telecom-Experte Ralf Beyeler eine Mischkalkulation. Er bezahle in der Schweiz im Einkauf wohl höhere Grosshandelstarife, in den anderen Ländern aber viel tiefere. «Solche günstigen Angebote haben auch mit Verhandlungsgeschick der Gesellschaften zu tun», sagt Beyeler. Zudem vermutet der Experte, dass der italienische Anbieter auf einen Teil seiner Marge verzichtet.
«Mobilfunkanbieter bezahlen sich gegenseitig fürs Vervollständigen der Anrufe», erklärt Scott Marcus, Mobilfunkexperte beim Beratungsunternehmen WIK. Diese Grosshandelspreise sind für den Endkunden aber nicht sichtbar.
Ein Anruf generiert für die Herstellung Kosten, auch wenn er innerhalb des eigenen Netzes geschieht. «Bei Anrufen im selben Netz sind es aber nur reale Kosten. Die möglicherweise überhöhten Abfindungen für die Konkurrenz entfallen», erklärt Marcus. Das sei auch der Grund, weshalb Anrufe im eigenen Netz sehr günstig und Gespräche zu anderen Mobilfunkanbietern in vielen Preis-Plänen ausgeschlossen sind. Immerhin: Bei den neusten Flatrate-Abos von Sunrise, Swisscom und Orange sind auch Anrufe in fremde Netze im Preis inbegriffen.
Gesperrte Telefone
Bei der Swisscom kommt der von 20 Minuten angestellte Vergleich nicht gut an. Es sei fragwürdig, ein einzelnes Produkt wie Anrufe auf Fremdnetze heranzuziehen. In der Regel benütze ein Kunde mehrere Anwendungen. Fairer ist laut Swisscom-Sprecher Sepp Huber der Vergleich von Warenkörben, die typische Nutzerprofile enthalten. Bei solchen Vergleichen liege die Swisscom im Rahmen anderer europäischer Anbieter.
Einfach nach Italien fahren, eine Prepaid-SIM-Card kaufen und sie ins eigene Telefon stecken, ist aber nicht in jedem Fall möglich. Viele iPhones, die mit Abschluss eines Abos vergünstigt gekauft wurden, sind nämlich für fremde SIM-Karten gesperrt. In den meisten Fällen läuft der sogenannte SIM Lock aber nach 24 Monaten aus und das Entsperren des Gerätes kann mittels SMS oder Anruf veranlasst werden.