Wer bargeldlos bezahlt, verkauft die Privatsphäre

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Datenschützer warntWer bargeldlos bezahlt, verkauft die Privatsphäre

Bargeld verliert an Bedeutung, immer mehr Zahlungen werden digital abgewickelt. Experten befürchten, dass dies zum «gläsernen Menschen» führt.

F. Lindegger
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F. Lindegger

Kontaktlos bezahlen mit Kreditkarte oder Bezahl-Apps ist einfach und bequem. Und es wird immer beliebter. Inzwischen buhlen eine ganze Reihe von Banken und Finanzdienstleistern mit unterschiedlichen Systemen um die Gunst der Schweizer Kunden. Damit dürfte sich der Trend, im täglichen Gebrauch vermehrt auf Bargeld zu verzichten, weiter verstärken. Heute werden hierzulande rund 60 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld abgewickelt. Vor 25 Jahren waren es noch gut 90 Prozent.

Doch nicht nur das Verhalten der Konsumenten führt dazu, dass Bargeld an Bedeutung verliert. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» zeigt sich Hanspeter Thür, Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, besorgt darüber, dass es grossen internationalen Druck auf die Staaten gäbe, ihre Bürger dazu anzuhalten, auf Bargeld zu verzichten. Dies etwa zur Bekämpfung von Kapitalflucht, Terrorismus oder Geldwäscherei. «Der Trend zu immer mehr bargeldlosem Zahlungsverkehr wird die nächste grosse Baustelle im Datenschutz sein», sagt Thür.

Bargeldlose Gesellschaft keine Utopie

«Sollte dereinst das Bargeld abgeschafft werden, wäre der Schaden für die Privatsphäre enorm», ist Thür überzeugt. Dies sei problematisch, weil mit der Analyse des elektronischen Zahlungsverkehrs ein sehr präzises Profil einer Person erstellt werden könne, «bis hin zu ihren sexuellen Neigungen oder politischen Ansichten», so Thür im «Tages-Anzeiger». Dass das Bargeld abgeschafft werden könnte, ist keineswegs utopisch. Dänemark oder Schweden sind bereits auf dem Weg in eine bargeldlose Gesellschaft. In Dänemark gibt es Pläne, dass ab 2016 Tankstellen, Restaurants oder kleine Läden kein Bargeld mehr annehmen müssen.

Andreas Von Gunten, Mitglied der Digitalen Gesellschaft und Präsident des Vereins Digitale Allmend, der sich für den öffentlichen Zugang zu digitalen Gütern und deren Weiterentwicklung einsetzt, sieht ebenfalls Gefahren in einer bargeldlosen Gesellschaft. Vor allem im Hinblick auf den Missbrauch von staatlicher Macht. «Gibt es kein Bargeld mehr, kann jedermann von Transaktionsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Etwa im Zuge von Ermittlungen und auch wenn jemand unschuldig ist», so Von Gunten zu 20 Minuten. Auf diese Weise könne eine Person gebrochen werden. Als Beispiel nennt Von Gunten den Fall Wikileaks, wo auf Druck der amerikanischen Behörden Paypal Kreditkarten oder auch PostFinance Konten der Enthüllungsplattform gesperrt hätten.

Ungleich verteilte Rechte

Private Firmen versprechen sich vom vermehrten Gebrauch von digitalen Bezahlmöglichkeiten vor allem Daten der Kunden, die anschliessend für eigene Zwecke genutzt werden können. So heisst es etwa in den Nutzungsbedingungen der Bezahl-App Paymit, der sich neben der UBS auch die Zürcher Kantonalbank oder die Raiffeisen angeschlossen haben, dass die UBS ermächtigt wird, «eingegebene Daten, Daten im Zusammenhang mit der Nutzung von UBS Paymit sowie Daten von Drittquellen zu speichern, zu bearbeiten und zu nutzen und daraus Profile zu erstellen». Diese würden insbesondere genutzt, um gegebenenfalls individuelle Beratung, massgeschneiderte Angebote oder Informationen über UBS-Produkte und -Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Das Problem sei, dass die Rechte für die Nutzung dieser Daten heute ungleich verteilt seien, sagt Von Gunten. «Wer seine Daten einer Firma zur Verfügung stellt, sollte mindestens das Recht haben, die gesammelten Daten einzusehen, zu kopieren und auch zu korrigieren.»

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