Fragen & AntwortenWer vom Immobiliencrash betroffen wäre
Experten warnen vor einer Immobilienblase. Gibt es sie wirklich? Wer wäre betroffen, wenn sie platzt? Würden Mieter von einer Korrektur auf dem Immobilienmarkt profitieren?

Die Preise für Eigentumswohnungen sind laut Wüst & Partner innerhalb von 10 Jahren um 73 Prozent in die Höhe geschossen.
Warum die Aufregung über den Immobilienmarkt?
Der Immobilienmarkt spielt eine zentrale Rolle für die Wirtschaft eines Landes. Er verbindet Bauunternehmen, Mieter, Hauseigentümer, Investoren und Banken. Veränderungen auf dem Immobilienmarkt wirken sich deshalb auf die ganze Wirtschaft aus. In der Schweiz sind Immobilien der wichtigste Vermögensbestandteil der privaten Haushalte mit einem Anteil von rund 44 Prozent. Ein Fünftel der Pensionskassenguthaben ist in Immobilien angelegt.
Was ist eine Immobilienblase?
Ökonomen sprechen von Blasenbildung, wenn die Preise eines Gutes – angeheizt von Spekulationskäufen – stark steigen und sich immer mehr vom wirklichen Wert entfernen. Wenn die Blase platzt, stürzen die Preise ab. Blasen auf dem Immobilienmarkt werden durch günstige Zinsen und lockere Kreditvergabe der Banken gefördert.
Wie erkennt man eine Immobilienblase?
Das ist die Gretchenfrage, die heftig diskutiert wird. Hinweise auf eine Blasenbildung geben die Preisentwicklung, das Wachstum der Hypothekarkredite und die Bautätigkeit. Eindrücklich ist die Entwicklung der Preise für Wohneigentum: Einfamilienhäuser haben sich laut Wüest & Partner in 10 Jahren um 46 Prozent verteuert, Eigentumswohnungen wurden um 73 Prozent teurer. Wichtiger als die Entwicklung der absoluten Zahlen ist allerdings die Frage, ob sich die Preise im Verhältnis zu anderen Messgrössen wie Mieten oder dem Wachstum der Gesamtwirtschaft abkoppeln. Letzteres ist bei den Hypothekarkrediten der Fall. Sie wachsen zurzeit um gegen 5 Prozent, die Wirtschaft bloss um 1 Prozent.
Wieso sind sich die Experten trotzdem nicht einig, ob sich eine Blase bildet?
Die regionale Entwicklung ist unterschiedlich. Unbestritten ist, dass an den sogenannten Hot Spots wie am Genfersee, in Zürich, Zug und in einigen Tourismusgebieten in den Bergen eine Überhitzung besteht. Landesweit sieht die Lage aber weniger dramatisch aus. Nicht klar ist, wie stark die Spekulation die Preise bereits in die Höhe treibt. Je länger die Nationalbank die Zinsen auf dem Rekordtief belässt, desto günstiger wird der Nährboden für eine Blasenbildung.
Was passiert, wenn eine Immobilienblase platzt?
Die Erfahrungen in der Schweiz liegen nur zwei Jahrzehnte zurück: Anfang der 1990er Jahre platzte die letzte Blase – mit gravierenden Folgen. Die Wirtschaft wuchs bis 1995 fast nicht mehr. Die Arbeitslosenquote stieg auf über 5 Prozent. In der Baubranche verlor jeder Zehnte den Job. Privatpersonen und Unternehmen erlitten empfindliche Verluste. Die Pleite der Spar-und Leihkasse Thun steht als Fanal für die Krise im Bankensektor. Auf über 50 Milliarden Franken werden die Verluste der Finanzbranche geschätzt. Als abschreckendes Beispiel im Ausland gilt Irland, das bis zum Ausbruch der Finanzkrise auch hierzulande als «keltischer Tiger» gelobt wurde. Immobilien- und Bankenkrise warfen das Land um Jahrzehnte zurück.
Sinken bei einem Crash der Immobilienpreise auch die Mieten?
Das hängt stark von der Politik der Nationalbank ab. Vor 20 Jahren stiegen die Mietpreise auch nach dem Platzen der Immobilienblase zunächst weiter, weil die Nationalbank zur Bekämpfung der Teuerung die Zinsen erhöhte. Das heizte über die Hypothekarzinsen auch die Mietzinsen an. Im Kampf gegen den starken Franken sind der SNB bei den Zinsen derzeit die Hände gebunden. In Krisen gibt es aber auch für Mieter nichts zu lachen.
Wird wenigstens der Kauf von Wohneigentum günstiger?
Im Prinzip schon. Die Finanzierung über Bankkredite wird aber schwieriger. Bei fallenden Preisen stellt sich zudem das Problem, den richtigen Zeitpunkt für den Kauf zu erwischen. Bis zur Bodenbildung drohen Wertverluste.
Wie kann der Crash verhindert werden?
Die Banken haben sich eine Selbstbeschränkung bei der Vergabe von Hypothekarkrediten auferlegt. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Nationalbank beobachten die Entwicklung genau. Die Finma greift ein, wenn sie Hinweise auf Missstände bei einem einzelnen Institut hat. Die Nationalbank hat seit Mitte letzten Jahres die Möglichkeit, für die gesamte Branche vorübergehend mehr Eigenmittel zur Unterlegung der Hypothekarkredite zu verlangen. Das würde die Kreditvergabe bremsen und die Sicherheit der Banken erhöhen. Das letzte Wort hat aber der Bundesrat.