SteuerstreitWidmer-Schlumpf drückt aufs Tempo
Ungeachtet der Hängepartie mit Deutschland gibt der Bundesrat Gas bei den Steuerverhandlungen. Das hohe Tempo birgt aber auch Absturzgefahr.

Auf Eveline Widmer-Schlumpf warten schwierige Verhandlungen.
Zum Ärger der Linken hat Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf kürzlich bei der Umsetzung der Weissgeldstrategie einen Zwischenstopp eingeschaltet. Die Vorschläge für neue Sorgfaltspflichten der Banken bei der Entgegennahme von Geldern kommen nicht wie ursprünglich versprochen schon im September. Sondern sie sind Teil einer Gesamtschau, die dem Bundesrat zusammen mit neuen Geldwäscherei-Meldepflichten erst später unterbreitet wird.
Dennoch: Mangelndes Tempo kann man dem Bundesrat bei der Anpassung des Finanzplatz-Regimes an die internationale Entwicklung nicht vorwerfen. Heute gab die Regierung den Startschuss gleich für drei neue Vorhaben: Für Verhandlungen mit Italien über eine Beilegung des Steuerstreits, für Verhandlungen mit den USA über die Umsetzung des neuen amerikanischen Steuereintreibe-Vehikels FATCA sowie für neue Vorschriften im Finanzmarktrecht über den Handel mit Derivaten.
Um was geht es im Einzelnen? Im Falle Italiens sollen gleich mehrere Probleme gelöst werden, die das bilaterale Verhältnis seit Jahren belasten. Schweizer Unternehmen sind im Geschäftsverkehr mit Italien mit Schikanen konfrontiert, weil Rom die Schweiz nach wie vor als Steuerparadies einstuft und schwarzen Listen führt. Hinzu kommen Verhandlungen über drei Steuerabkommen. Über ein Abgeltungssteuerabkommen nach dem Vorbild der Deals mit Deutschland und Grossbritannien, über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen sowie über eine Revision der Vereinbarung über die Besteuerung der Grenzgänger.
Einigung mit Italien noch in diesem Jahr?
Schon im Spätherbst soll eine Steuerungsgruppe konkrete Vorschläge für eine Gesamtlösung unterbreiten. Ein Abgeltungssteuer-Abkommen dürfte aber erst Anfang 2014 in Kraft treten. Spekulationen in italienischen Medien, wonach Italien aus der Abgeltungssteuer bis zu 40 Milliarden Euro zufliessen könnten, werden hierzulande als zu optimistisch eingestuft. Hinzu kommt, dass ein Scheitern des Abkommens mit Deutschland auch die Verhandlungen mit Italien gefährden dürften. Das Departement Widmer-Schlumpf gibt sich aber zuversichtlich und verweist auf eine Reihe von weiteren Ländern, die an der Abgeltungssteuer interessiert sind.
Keine Verknüpfung mit US-Steuerstreit
Beim Mandat für Verhandlungen mit den USA geht es nicht um die 11 Banken, die von den USA der Beihilfe zur Steuerflucht beschuldigt werden. Sondern um die Umsetzung der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) - eines Gesetzes, mit dem die USA weltweit alle Erträge von US-Steuerpflichtigen erfassen will und das faktisch auf eine automatische Lieferung von Informationen hinausläuft. Schon im Juni hatten die Schweiz und die USA in einer Erklärung auf ein gemeinsam mit Japan entwickeltes Modell für die Umsetzung verwiesen. Es soll gewisse Ausnahmen und Erleichterungen bringen. Im Falle einer Einigung erhofft man sich im Bundeshaus eine positive Ausstrahlung auf den hängigen Steuerstreit; ein direkter Zusammenhang besteht aber nicht.
Beim neuen Gesetzgebungsprojekt schliesslich handelt es sich um eine Spätfolge der Finanzkrise und um eine Lehre aus dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers. Durch gesetzliche Vorschriften für den ausserbörslichen Handel mit Finanzderivaten soll verhindert werden, dass der Ausfall eines Marktteilnehmers eine Kettenreaktion auslöst und das ganze Finanzsystem mit in die Tiefe reisst. Die Übernahme von internationalen Regulierungen in diesem Bereich wird von den Banken begrüsst, auch wegen der Sicherstellung des Marktzugangs.
Hohes Tempo birgt auch Absturzgefahr
Einen Rückschlag musste die Finanzministerin unteressen beim geplanten 15-Milliarden-Kredit für den Internationalen Währungsfonds (IWF) hinnehmen. Der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats waren die Erläuterungen des Bundesrats zu dünn. Sie verlangte Nachbesserungen und will das Geschäft erst im nächsten Quartal behandeln.