Wie lange hält die Nationalbank durch?

Aktualisiert

1 Jahr Euro-MindestkursWie lange hält die Nationalbank durch?

Seit einem Jahr verteidigt die SNB einen Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken. Was hat es gebracht? Was hat es gekostet? Und wie geht es weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Balz Bruppacher
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Balz Bruppacher
Eine starke Währung ist grundsätzlich gut und zeugt von wirtschaftlicher Potenz. Den Exporteuren und der Tourismusbranche macht der starke Franken aber sorgen.

Eine starke Währung ist grundsätzlich gut und zeugt von wirtschaftlicher Potenz. Den Exporteuren und der Tourismusbranche macht der starke Franken aber sorgen.

Warum hat die Nationalbank vor einem Jahr eine Untergrenze für den Euro eingeführt?

Der Wert des Euro fiel im August 2011 wegen der europäischen Staatsschuldenkrise ins Bodenlose und näherte sich der Marke von 1 Franken. Der Schweizer Wirtschaft wäre bei solchen Kursverhältnissen in grosse Schwierigkeiten geraten. Exportwirtschaft und Tourismus wären nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Stellenabbau und Produktionsverlagerungen ins Ausland wären mögliche Folgen gewesen.

Ist ein starker Franken per se schlecht?

Eine starke Währung ist grundsätzlich gut und zeugt von wirtschaftlicher Potenz. Wenn sich der Franken aufwertet, verbilligen sich die Importe. Weil die Schweiz jeden zweiten Franken im Ausland verdient, fallen aber die Einbussen in Export und Tourismus stark ins Gewicht. Das gilt vor allem für Phasen, in denen sich der Franken rasch aufwertet.

Wie verteidigt die Nationalbank den Mindestkurs?

Sie kauft seit dem 6. September 2011 auf dem Devisenmarkt alle angebotenen Euro gegen Franken auf, sobald der Kurs wegen des grossen Angebots unter die Marke von 1.20 Franken zu rutschen droht. Mit einer Ausnahme zu Beginn der Osterfeiertage ist die Verteidigung gelungen.

Was hat die Verteidigung des Mindestkurses gekostet?

«Der Weg, den die Nationalbank nun beschreitet, ist anspruchsvoll. Er kann mit sehr grossen Kosten verbunden sein», hat der damalige SNB-Präsident Philipp Hildebrand vor Jahresfrist gesagt. So lange der Kurs von 1.20 Franken gehalten wird, entstehen auf den von der SNB aufgekauften Euro keine Kursverluste. Die Rechnung wird erst präsentiert, wenn der Mindestkurs aufgehoben oder geändert wird. Ende Juni hatte die Nationalbank 183 Milliarden Euro in ihrer Bilanz. Zu einem Kurs von 1.20 waren die Eurobestände 220 Milliarden Franken wert. Würde der Euro auf 1.10 sinken, müsste die SNB einen Verlust von 19 Milliarden Franken verbuchen. Im Falle eines Anstiegs auf 1.30 Franken könnte die SNB hingegen einen Gewinn von 18 Milliarden Franken einstreichen.

Was hat der Mindestkurs für die Schweizer Wirtschaft gebracht?

Die Planung für die Unternehmen ist einfacher geworden. Das Risiko eines Euro-Absturzes unter 1.20 Franken ist kurzfristig gegen null gesunken und muss nicht abgesichert werden. Nicht bewahrheitet hat sich bisher die Befürchtung von Experten, wonach die Wirtschaft bei einem Kurs von 1.20 nicht mehr wachsen wird. Die Exportfirmen und die Tourismusbranche mussten aber teilweise ihre Preise senken, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Wie sieht es für die Konsumenten aus?

Die Preise sind auf breiter Front gesunken. Importeure wie die Autobranche gewähren zum Teil Währungsrabatte. Aber nicht überall werden die Währungsgewinne weitergegeben. Schuhe, Kleider, Zeitschriften und Pflegeprodukte sind gemäss einer Umfrage des Konsumentenschutzes oft deutlich teurer als im Ausland.

Wie lange kann die Nationalbank den Mindestkurs halten?

Theoretisch unbeschränkt, weil sie über das Geldmonopol verfügt. Neben den möglichen Kosten gilt es aber das Inflationsrisiko im Auge zu behalten. Eine Ausweitung der Geldmenge, wie sie durch die Devisenkäufe erfolgt, schafft ein Teuerungspotenzial, sofern der Geldüberfluss nicht rechtzeitig abgebaut wird. In der einzigen ähnlichen Situation von 1978, als die SNB ein Wechselkursziel gegen die Abwertung der D-Mark einführte, stieg die Inflation innerhalb von drei Jahren von 0,4 auf 7,5 Prozent.

Wie sieht das Ausstiegsszenario der SNB aus?

Die Nationalbank hat sich dazu bislang nicht geäussert. Das Wunschszenario wäre eine Entspannung der Eurokrise mit einem nachhaltigen Kursanstieg der Gemeinschaftswährung. Dann müsste der Mindestkurs formell gar nicht aufgehoben werden. Das war 1978 der Fall, als die D-Mark sich rasch erholte. Danach sieht es beim Euro aber nicht aus. Halten die Inflationsunterschiede an, wäre eine sukzessive Senkung des Mindestkurses denkbar.

So legt die SNB ihre Devisen an

Mitte Jahr waren 85 Prozent der Devisen in Staatsanleihen angelegt, und zwar zum allergrössten Teil (86%) von Ländern mit dem Toprating AAA. 10 Prozent waren in Aktien investiert, die restlichen 5 Prozent in anderen Anleihen. Politiker verschiedener Couleur haben die Gründung eines Staatsfonds ähnlich wie Norwegen oder die Golfstaaten gefordert, um die Rendite auf den Anlagen zu erhöhen. Bundesrat und Nationalbank lehnen das ab.

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