Japans WirtschaftWo Toyota, Subaru und Sony jetzt produzieren
Noch gibt es in der Schweiz keine Anzeichen für Lieferengpässe japanischer Produkte. Zieht sich der Produktionsstopp aber hin, wäre auch die Schweiz betroffen.
Während in Japan die Aufräumarbeiten in vollem Gang sind, zeigt sich allmählich das ganze Ausmass des Schadens, welcher das Erdbeben und der Tsunami vom Freitag im Nordosten Japans angerichtet haben. Auch wirtschaftlich werden die Folgen der Katastrophe wohl noch lange nachhallen — unter Umständen sogar bis in die Schweiz. Denn Japan ist in Asien vor China (ohne Hongkong) die wichtigste Schweizer Exportdestination und nach China die wichtigste Einfuhrquelle.
Die Schweiz hat im Jahr 2009 Güter im Wert von 3,6 Milliarden Franken aus Japan eingeführt. Den Löwenanteil machen dabei Fahrzeuge – allen voran die Marken Toyota, Honda, Subaru und Nissan - im Wert von gut 1 Milliarde Franken aus. Neben Edelmetallen und Schmucksteinen für 800 Millionen Franken kommen auch Instrumente, Uhren und Bijouterie sowie Chemikalien im Wert von je 600 Millionen Franken hinzu. Auch importierte die Schweiz Maschinen und Elektronik für über 390 Millionen Franken aus Nippon.
Von offizieller Seite will man von drohenden Lieferengpässen aber noch nichts wissen. «Zu diesem Zeitpunkt können wir den reellen oder potenziellen Einfluss des historischen Desasters in der nahen Zukunft nicht einschätzen», sagt Takafumi Suzuki, japanischer Botschaftssekretär in der Schweiz gegenüber 20 Minuten Online. «Wir glauben aber, dass Japan die guten Handelsbeziehungen mit der Schweiz fortsetzen kann, weil die japanische Wirtschaft und Handelsindustrie die ausländische Nachfrage über andere Regionen befriedigen kann.»
Wirtschaftsleistung der Grösse Österreichs betroffen
Ein Blick auf die Karte untermauert die Aussagen von offizieller Seite: Mit der Tohoku-Region ist nur ein kleiner Teil der japanischen Gesamtwirtschaftsleistung von der Naturkatastrophe betroffen. Die nordöstliche Region entspricht «nur» etwa der Wirtschaftsleistung Österreichs, oder gut 8 Prozent der gesamten japanischen Wirtschaft. Entsprechend optimistisch zeigen sich Schweizer Importeure von japanischen Produkten.
Der Elektronikriese Sony hat die Produktion zwar in acht Werken angehalten. Marco Di Piazza, Sprecher Sony Österreich und Schweiz, zeigt sich aber zuversichtlich, dass es in der Schweiz nicht zu Lieferengpässen kommt. Sony-Fernseher, die das Unternehmen in die Schweiz importiert, würden beispielsweise in Barcelona produziert.
Auch der Elektronikhersteller Canon musste die Produktion in drei Werken und fünf Standorten anhalten. Aber erst, wenn die Produktion für einen Monat oder länger still stehe, werde das Unternehmen auf alternative Standorte ausweichen, um die Produktion zu gewährleisten, heisst es von Seiten des Konzerns.
Archillesferse «Just in Time»-Produktion
Hart von der Katastrophe getroffen ist auch die Automobilindustrie. Mehrere Anbieter haben in Japan die Produktion eingestellt: Neben Honda, Nissan und Toyota auch Fuji Heavy Industries Ltd., Hersteller der Subaru-Personenwagen. Subaru-Schweiz-Sprecher Peter Bucher ist trotzdem zuversichtlich: «Kurzfristige Produktionsstopps haben keinen gravierenden Einfluss auf die Liefersituation in der Schweiz.» Sowieso gehe man davon aus, dass Subaru am Donnerstag die Produktion wieder aufnehme.
Doch in der stark verzahnten Wirtschaft von heute, gerade im Automobilsektor, ist das nicht so einfach. Denn die «Just in Time»-Produktion in der Industrie spart zwar Lagerkosten, macht das System aber gleichzeitig anfällig auf das Ausfallen einzelner Rädchen im Getriebe, in diesem Fall die Zulieferer. Schon das Ausbleiben eines kleinen Getriebeteiles kann für die ganze Produktion zum Problem werden.
Dieses Problem sieht auch Bucher: «Gerade angesichts der in der Automobilindustrie üblichen ‚Just in Time'-Produktion muss die Situation der Zulieferanten umfassend abgeklärt werden.» Speziell wisse man bei Subaru noch nicht, wie all die Zulieferfirmen in der betroffenen Region aufgestellt seien. «Dies könnte für die Neuwagen-Produktion Konsequenzen haben.»
Folgen für Toyota
Auch beim weltweiten Marktführer Toyota stehen die Fliessbänder in den zwölf japanischen Werken bis Mittwoch still. Das drückt die Produktion um 40 000 Fahrzeuge. Doch Mark Straehl, Sprecher Toyota-Schweiz, hält fest: «Toyota produziert seine Fahrzeuge nicht ausschliesslich in Japan, so finden wir Produktionsstätten auf der ganzen Welt.»
Die Modelle Agyo, Yaris, Auris, Auris Hybrid, Verso und Avensis würden beispielsweise in den Produktionsstätten in Europa gefertigt. Zurzeit stammen rund 70 Prozent der verkauften Toyota-Personenwagen in der Schweiz aus der europäischen Produktion. Straehl: «Lieferengpässe für die japanisch produzierten Personenwagen sind zurzeit nicht absehbar.»
Ähnlich tönt es bei Nissan: Dort sind gar acht von zehn Autos in der Schweiz aus europäischer Produktion. Auch der Importeur der Kawasaki-Motorräder beruhigt: «Das Gros der japanischen Fahrräder, die wir zu Saisonbeginn im April und Mai verkaufen, ist bereits in der Schweiz angekommen.»
Die Karte gibt einen Überblick über die Produktionsstandorte der Autobauer
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Schaden von 25 Milliarden
Autopapst Ferdinand Dudenhöffer schreibt in seinem neuesten Bericht: «Unterstellt man jetzt in einem Negativszenario, dass in Japan Produktionsausfälle von 3 Monaten zu verkraften wäre, entspricht dies einem Produktionsausfall von 2,5 Millionen Fahrzeugen.» Etwa 30 Prozent dieser Fahrzeuge liessen sich die Produktionsausweitungen der Werke ausserhalb Japans «aufholen». Damit würden die japanischen Autobauer etwa 1,6 Millionen Fahrzeuge «verlieren», die von den anderen Autobauern aufgefangen würden. Dies entspricht in etwa einem Schaden von 25 Milliarden Euro für die japanische Automobilindustrie.