AuszugsdrohungWohin mit den Superreichen?
Schweizer Industrielle drohen bei Annahme der SP-Steuerinitiative mit dem Wegzug. Tatsächlich gibt es Alternativen – doch will man wirklich dorthin?
Letzte Woche kündigten sie in der Sonntagspresse vollmundig den Wegzug aus der Schweiz an, sollte die Steuerinitiative angenommen werden. Aber wollen Alfred Schindler, Michael Piper und Thomas Schmidheiny wirklich nach Saudi-Arabien, Pakistan oder Kasachstan ziehen? Im Königreich der Saud gibt es keine Steuern – superreich ist dort an der Tagesordnung. Es gibt nur Sozialabgaben.
Doch wollte Familie Schindler in den Ölstaat umziehen, müsste sie zahlreiche Unangenehmlichkeiten in Kauf nehmen. Ein Whisky oder ein Glas Rotwein zum Essen gäbe es nur noch im Geheimen. Weibliche Familiemitglieder müssten sich in der Öffentlichkeit verschleiern, dürften nicht selbst Auto fahren, ins Ausland reisen oder ein Hotelzimmer buchen. Und: möchte man das Unternehmen von der arabischen Halbinsel aus managen, gibt es ein Zeitschiebungsproblem – Wochenende und damit Ruhetage sind nämlich nicht Samstag und Sonntag, sondern Donnerstag und Freitag.
Rumänien ist keine beliebte Alternative
Natürlich sind auch in Europa steuergünstigere Länder zu finden. Es sind dies etwa Rumänien, Serbien, Tschechien und Bulgarien. Obwohl sie der Schweiz näher sind als Steuerparadiese wie Pakisten und Costa Rica, sind sie nicht unbedingt für Rechtssicherheit und Stabilität bekannt. Diese Umstände nützte die Juso gleich zu einem propagandistischen «Gegenschlag». Die Jungsozialisten schenkten «Feudalherrn» Alfred N. Schindler in Nidwalden ein übergrosses Ticket nach Bulgarien. «Ein Land, in dem diese Herren nicht einmal Ferien machen würden», bemerkte Cédric Wermuth gegenüber Tele M1.
Noch nicht entschieden, wo der neue Wohnsitz liegen soll, hat Thomas Schmidheiny. «Ein Unternehmen denkt aber immer voraus», lässt sein Sprecher ausrichten. Der Holcim-Grossaktionär werde aber der Schweiz den Rücken kehren, falls auch die Initiative zur eidgenössischen Erbschaftssteuer angenommen werde. Das Kapital sei mobil und mit modernen Kommunikationsmitteln lasse sich ein Unternehmen von überall führen. Die Pressesprecherin von Alfred N. Schindler versicherte 20 Minuten Online noch einmal, dass es ihrem Chef mit seiner Drohung ernst sei. Wohin er seinen Wohnsitz verlegen würde, sei aber Privatsache des VR-Präsidenten von Schindler.
Besichtigen sie die neuen Anwesen?
Die schwerreichen Schweizer können bei ihrem Umzug auf wenig professionelle Umzugshilfe hoffen. Die Relocation-Industrie, so nennt sich die Wohnsitzverschiebungsberatung, hat sich für das Gegenteil gerüstet. Normalerweise holt eine Relocation-Agent Wohlhabende oder Berufsleute mit Spezialwissen aus dem Ausland in die Schweiz. «Wir bringen spezialisierte Berufsleute, die im Durchschnitt rund 250'000 Franken verdienen in die Schweiz», sagt James Hochreutiner, Managing Director von Talentis Solutions. Diesen gesuchten Experten könnten in der Schweiz jeweils klare Steuervorteile aufgezeigt werden. «Auch die Stabilität des Schweizer Frankens ist ein schlagendes Argument.»
Aber vielleicht brauchen Schindler & Co. auch gar keine Hilfe. Keiner der Unternehmer, die mit Abwanderungsgelüsten von sich reden gemacht haben, war auf Anfrage erreichbar. Nach Angaben der persönlichen Mitarbeiter befinden sie sich nämlich gerade zufällig alle im Ausland, teilweise in «anderen Zeitzonen». Klar kommt da der Verdacht auf, die Gesuchten besichtigten gerade Anwesen in der Ukraine oder Armenien – zwecks zukünftiger Steueroptimierung.
Unternehmen verkaufen statt gehen
«Ob diese Länder in der Gesamtbetrachtung wirklich steuergünstiger sind, muss sich dann noch weisen», sagt Steuerexperte Rolf Benz aus Winterthur. Denn es komme auch auf die Umsetzung der Steuer-Initiative an und auf die möglicherweise fehlende Rechtssicherheit in diesen Ländern. Benz vermutet, dass viele Vermögenden einen Wegzug zwar ernsthaft prüfen, aber vorerst abwarten würden, wie die Ausführungsgesetzgebung im Parlament und in den Kantonen ausfallen werde. So sei die Höhe der Besteuerung der Dividenden in der Initiative gar nicht geregelt.
Manche gehen auch nicht, haben aber ebenfalls eine Lösung gegen die drohende Steuererhöhung bereit. «Falls die Reichtumssteuer kommt, würde ich in der Schweiz bleiben, denn die Lebensqualität ist unübertroffen hier in Luzern», bekennt etwa Swisspor-Chef Bernhard Alpstaeg. Er müsste dagegen als Hauptaktionär sein Unternehmen verkaufen. Denn die Aktiendividenden würden ihm als Teil des Vermögens so stark besteuert, dass Swisspor nicht mehr überlebensfähig wäre. Als Privatperson würde er dann eine Stiftung gründen, so würde er gar keine Steuern mehr zahlen. «Ich bin aber überzeugt, dass die Initiative nicht angenommen wird», so Alpstaeg.