Proteinshakes«Für den Aufbau brauchts Proteine, sonst nichts»
Proteinshakes sind in aller Munde – und damit auch viele Zusatzstoffe. Doch Inhalt kommt vor Geschmack, weiss Muskelforscher Marco Toigo.
Marco Toigo, ich bin viel unterwegs und trinke daher gern Proteinshakes, die es überall zu kaufen gibt. Wie viel Muskelfutter steckt tatsächlich in diesen Fertigdrinks?
Die Produkte im Ladenregal sind alle darauf ausgerichtet, dass sie gut schmecken. Die meisten enthalten deshalb sehr viel Zucker oder Süssungsmittel. Auch Fett beeinflusst das Geschmacksempfinden positiv und gibt den Drinks eine gute Konsistenz. Geschmack steht also vor Wirkung. Wen die Schoggi-Lust packt, isst besser ein Stück Schweizer Schokolade.
Wer Proteinshakes kauft, hat die Qual der Wahl. Neben dem Molkenprotein gibt es Hanf-, Kürbis-, Reisproteine und unzählige weitere. Wie finde ich das für mich richtige Produkt?
Für Muskelaufbau entscheidend ist der Gehalt an essentiellen Aminosäuren pro Gramm Protein. Tierisches Eiweiss ist in diesem Zusammenhang effizienter als pflanzliches. Bei pflanzlichem Protein – vielleicht abgesehen von Soja – sind diese tiefer konzentriert als im Milchproteinpulver. Es braucht also bei pflanzlichen Produkten viel grössere Proteinmengen, um die Proteinsynthese maximal anzuregen.
Sojaprotein ist sozusagen der Renner unter den pflanzlichen Proteinen?
Vom Wirkungsprofil kommt Sojaprotein näher an ein Whey als beispielsweise Hanf-, Reis- oder Weizenprotein. Studien zeigen jedoch, dass die in den Sojaprodukten enthaltenen Phytoöstrogene den Hormonhaushalt des Mannes negativ beeinflussen können.
Unter Eiweisspulvern gibt es je nach Hersteller sehr grosse Unterschiede. Nicht jeder Shake eignet sich dabei für den Muskelaufbau. Was finde ich als Laie auf der Zutatenliste eines guten Produktes?
Für das Muskelwachstum braucht es Nahrungseiweiss plus Krafttraining – sonst gar nichts. Es braucht sicher keine künstlichen oder natürlichen Süssungsmittel, keine Farbstoffe und schon gar keine E-Nummern. Welche Langzeitfolgen diese Stoffe auf unseren Körper haben, ist nicht klar. Das Problem ist: Fast alle Produkte sind darauf ausgerichtet, Geschmäcker zu befriedigen. Nicht die Frage nach dem Inhalt steht im Zentrum, sondern der Geschmack.
Aus Ihrem Eigenbedarf heraus haben Sie ein Proteinpulver entwickelt, das biozertifiziert ist. Warum?
Ich fragte mich: Wie ist es möglich, dass ich als Konsument kein naturbelassenes, hochkonzentriertes Protein kaufen kann, das wirklich nur das enthält, was es braucht. Deshalb habe ich beschlossen, selbst ein solches Produkt herzustellen. Mit Tense Up streben wir Innovation an – und zwar Innovation durch Reduktion. Eben nicht ein Shake mit neuem Geschmack, edlem Design oder einer schönen Dose, sondern nur wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung in purer Form. Die Kombination von einem naturbelassenen Produkt und einem wissenschaftlichen Background soll maximale Wirkung entfalten und nicht in erster Linie exotisch schmecken.
Die Milch stammt von Kühen eines Bio-Hofes. Der Shake schmeckt wie verdünnte Milch. Warum kann ich stattdessen nicht einfach ein grosses Glas Bio-Milch trinken?
Es ist eine Frage der Effektivität. Wer pro Einnahmezeitpunkt 30 Gramm Protein zu sich nehmen will, müsste über einen Liter Milch trinken. Das ist der Vorteil eines hochkonzentrierten Bio-Präparates: Es braucht viel weniger Volumen und Masse, um denselben Effekt zu erzielen.
Warum gibt es bisher so wenig biozertifizierte Proteinpräparate?
Die Haupthürde ist, dass jede Komponente im Produktionsprozess strikt den Bio-Richtlinien entsprechen muss. Wir waren die Ersten, die ein solches Produkt lancierten. Nicht weil wir bio a priori besser finden. Bio ist das Vehikel, um sicherzustellen, dass dieser Shake naturbelassen ist und nur enthält, was den Muskel optimal unterstützt.
Worauf kann ich in Zukunft schauen, wenn ich Proteinshakes kaufe?
Für Konsumenten ist es praktisch unmöglich, die Qualität von einem solchen Pulver einschätzen zu können. Im Unterschied zu Medikamenten gibt es bei den Proteinpräparaten keine strengen Richtlinien. Das Biolabel ist daher der einzige Hinweis, dass die Produktionsprozesse kontrolliert sind. Ein Produkt sollte möglichst wenig Kohlenhydrate und Fett haben. Es braucht keinerlei Süssstoffe, Spurenelemente oder E-Nummern. Die Fertigdrinks für den Geschmack enthalten viele dieser Zutaten. Wer sich hingegen für die funktionelle Seite entscheidet, nimmt in Kauf, dass es nicht ein geschmackliches Highlight ist. Aber Sie gewöhnen sich daran.

Marco Toigo gilt als Kapazität auf dem Gebiet der integrativen Muskelphysiologie. Er ist Leiter Forschung & Athletik und Mitglied der Geschäftsleitung von On Your Marks OYM dem Kompetenzzentrum für Athletiktraining und Forschung im Spitzensport, sowie Gründer von Tense Up AG und MYOFABRIC AG, beides
Spin-offs der ETH Zürich. Er ist Autor des Springer Sachbuchs «MuskelRevolution» und als Kolumnist «Dr. Muscle» ein Begriff.