Dr. MuscleRumpf-Übungen werden überschätzt
Core-Training ist der letzte Schrei. Nach Dr. Muscle kommen Sie damit aber nicht weiter als mit anderen Übungen auch.

Physio-Therapeuten schwören auf Rumpfstabilitätstraining. Das ist gemäss Dr. Muscle aber nicht wirkungsvoller als andere Übungen.
In meiner letzten Kolumne bin ich auf den Rumpftrainings-Boom und dessen Hintergrund eingegangen: In Fitnesscentern, Therapieeinrichtungen und auch im (Spitzen-)Sport werden die Kunden, Patienten und Sportler unter dem Deckmantel der Rumpfstabilität mit unzähligen «Stabilisierungsübungen» (zum Beispiel die berühmte Plank-Übung) und entsprechenden Trainingshilfsmitteln bombardiert. Zu Recht? Kaum, wie meine nachfolgenden Ausführungen nahelegen.
Zu a) Die Bewegungskontrolle des Rumpfes (und des Körpers) erfolgt gesamtheitlich. In der Tat gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, wonach es «Kern»-Muskeln gibt, die bei normalen Bewegungen unabhängig von anderen (globalen) Rumpfmuskeln funktionieren. Die Unterteilung in «Kern»-Muskeln und globale Muskeln ist so vereinfachend, dass sie falsch wird. Auch spricht die wissenschaftliche Datenlage nicht dafür, dass Individuen effektiv lernen können, einen beliebigen «Kern»-Muskel unabhängig von anderen Muskeln zu aktivieren, geschweige denn, das für eine spezifische Übung Erlernte auf alle Bewegungsmuster bewusst oder unbewusst anzuwenden.
Zu b) Wissenschaftlich liess sich bis anhin nicht nachweisen, dass eine reduzierte Rumpfmuskelkraft, -ausdauer oder Kraftungleichgewichte («Dysbalancen») zwischen oder innerhalb von einzelnen Bauch- und oder Rückenmuskeln Individuen anfälliger macht für Rückenschmerzen. So gibt es auch keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Rückenbeschwerden durch eine instabile Wirbelsäule verursacht werden. Schliesslich ist auch nicht wissenschaftlich untermauert worden, dass das gängige Rumpfstabilitätstraining, wie es in Fitnesscentern praktiziert wird, das Timing der Muskelaktivierung wieder normalisieren kann.
Viel Luft um nichts
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rumpfstabilitätstraining für die Verhinderung oder Behandlung von Rückenbeschwerden nicht effektiver oder effizienter ist als jede andere Form von Training, Physiotherapie oder ganz einfach vielfältige körperliche Aktivität. Rumpfstabilitätstraining ist auch nicht besser als jede andere Form von Training, wenn es um die Prävention von Verletzungen im Alltag oder Sport geht. Dies ist auch nicht erstaunlich, denn die erzielten Trainingseffekte für die trainierten Muskeln sind erstens klein und zweitens sind sie spezifisch für die trainierten Übungen. Dies bedeutet, dass allfällige Trainingseffekte nur für die ausgeführten Übungen wirksam werden und nicht generell auf alle Bewegungen übertragen werden können.
Wenn Sie also Planks trainieren, so werden Sie mit der Zeit wahrscheinlich besser darin, Planks ausführen. Nicht mehr und nicht weniger. Rumpfstabilitätstraining scheint daher mehr Mythos zu sein als Nutzen zu bringen. Meine Empfehlung zur Erlangung von Rumpfstabilität ist ganz einfach: Trainieren Sie im Krafttraining Ihre Muskeln bei anatomisch korrekter Übungsausführung in all ihren Bewegungsaufgaben wie früher beschrieben hart, und versuchen Sie dabei, kontrolliert zu atmen.
Bewegen Sie sich im Alltag und beim Sport möglichst oft und vielfältig!

Dr. sc. nat. Marco Toigo befasst sich im Rahmen seiner universitären Forschungsarbeit im Labor für Muskelplastizität der Universitätsklinik Balgrist mit den Mechanismen des Muskelaufbaus und -abbaus. Nebst seiner Forschungstätigkeit ist er als ETH-Hochschuldozent fur Muskel- und Sportphysiologie sowie als Buchautor tätig. Er verfügt zudem über jahrelange Erfahrung in der Ausbildung von Fitnesstrainern und der Instruktion und Betreuung von Trainierenden.