Wenn der Körper zu Knochen wird

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Seltene Krankheiten, Teil 7Wenn der Körper zu Knochen wird

Als Hayden Pheif vor sechs Jahren auf die Welt kam, war er ein ganz normaler Junge. Nur wenig später stellte sich aber heraus, dass das Kind unter einer rätselhaften Krankheit leidet.

Hayden war gerade zwei Jahre alt, da fiel seinem Vater etwas Merkwürdiges auf: «Wir wollten gerade in die Ferien aufbrechen, da bemerkten wir eine Schwellung an seiner Hand. Ich fuhr sofort mit Hayden zum Arzt. Am darauffolgenden Wochenende konnte er seinen Nacken nicht mehr bewegen», erinnert sich John Pheif in einem Interview mit «abcnews.com».

Auf Anna Marie und Mark Linker aus North Carolina, USA, wirken Pheifs Schilderungen wie ein Déjà-vu: Vor zehn Jahren konnten sie bei ihrer Tochter Tiffany dieselben Symptome beobachten. Alles fing an, als die Kleine 10 Monate alt war. Und auch sie wurde von Arzt zu Arzt gereicht - in der Hoffnung, endlich zu erfahren, was ihr fehlt. Doch die Mediziner waren ratlos. Das Mädchen musste sich sogar einer Chemotherapie unterziehen, weil die Ärzte hinter den Mobilitätseinschränkungen Tumore vermuteten. Hinzu kamen sieben Operationen, doch für Tiffany besserte sich die Situation nicht: Die zuvor entfernten Verhärtungen kamen wieder.

Im Juni 1990 galt Tiffany als austherapiert. Die Mediziner schickten das Mädchen zum Sterben nachhause. «Sie gaben ihr noch zwei Wochen», erzählte Anna Marie Linker.

Der Schlüssel: Viel zu grosse Zehen

Bei Hayden kamen die Ärzte fast zufällig auf die richtige Spur: Während einer der unzähligen Arztbesuche fielen einer Krankenschwester die ungewöhnlich grossen Zehen des Jungen auf – und äusserte im selben Atemzug eine Vermutung: Fibrodysplasia ossificans progressiva – kurz FOP. Eine Ahnung, die sich später bewahrheiten sollte.

Hayden und Tiffany rettete die Diagnose das Leben, denn so kamen sie in die medizinische Obhut von Dr. Fred Kaplan, einem orthopädischen Chirurgen von der Universität in Pennsylvania. Er gilt als der führende FOP-Spezialist, also ein Experte für eine Erkrankung, von der schätzungsweise weltweit nur 2'500 bis 3'500 Menschen betroffen sind. Keine leichte Aufgabe, denn bei FOP verwandelt sich weiches Körpergewebe in Knochen und schränkt so wichtige Organe und Bewegungsabläufe ein.

Kaplan ist wie besessen von FOP. Der Mediziner arbeitet auf Hochtouren daran, eine Heilung für die äusserst seltene Krankheit zu finden. Die Praxisräumlichkeiten sind regelrecht tapeziert mit Fotos von rund 500 FOP-Kindern. Seine kleinsten Patienten nennen ihn liebevoll «Uncle Fred».

Die bereits totgesagte Tiffany ist heute 17 Jahre alt. Sie überlebte mit Hilfe eines Atmungsgeräts, denn «Knochenwucherungen» hindern ihre Lungen daran, sich beim Einatmen ausreichend auszubreiten.

Das richtige Gen entdeckt

Etwas lässt schwerkranke Kinder wie Hayden und Tiffany hoffen: Ihr «Uncle Fred» stiess Anfang dieses Jahres auf das Gen, das für FOP verantwortlich zeichnet. «Es war überwältigend: Endlich wissen wir, wo die Ursache für die schreckliche Krankheit liegt», freut sich Kaplan.

Eine Entdeckung, die langfristig nicht nur für FOP-Patienten von Bedeutung sein könnte: Auch Patienten mit Osteoporose oder Menschen mit anderen Knochenerkrankungen werden vielleicht irgendwann von diesem Wissen profitieren.

(rre)

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