Tollkühne Kisten
Wenn der PC zur Religion wird: Modding-Freaks verbringen ihre Freizeit damit, Computer in Kunstwerke zu verwandeln. Mit irren Resultaten.
Sie sind ganz normale Männer: Familienväter, Bankangestellte oder Elektromonteure. Doch sie teilen ein ungewöhnliches Hobby: Mit dem PC unter dem Arm verkriechen sie sich in Garagen und Kellern. Dann wird gesägt, gebohrt, geschraubt und gelötet, was das Zeug hält. Das Ziel: die Verschönerung des PCs – was oft einer Verwandlung in ein Objekt gleichkommt, das nur noch wenig mit dem zu tun hat, was man sich gemeinhin unter einem Computer vorstellt.
Modding nennt sich das aufwändige Steckenpferd. Es hat dieses Jahr erstmals einen festen Platz an der Cebit 2004 gefunden, wo die Deutsche Casemod-Meisterschaft 2004 ausgetragen wurde – und sich schnell zum heimlichen Publikumsfavoriten mauserte. Modder (vom englischen «to mod» = verändern) belassen es bei ihrem Hobby nicht einfach beim Umspritzen des PC-Gehäuses: In die Wände des Computers werden Fenster eingepflanzt, um die Elektronik sichtbar zu machen, Kaltlicht-Dioden leuchten mystisch aus den Innereien, und manchmal wird gleich der ganze PC in ein neues Gehäuse verpflanzt.
Beispielsweise in die Trommel einer Waschmaschine. Oder in einen ferngesteuerten Modellwagen, der trotz eingebautem PC mit 45 km/h fährt. Noch abgedrehter mutet allerdings der Computer im Autoreifen an, mit dem ein 15-Jähriger in der Kategorie «spektakulärstes Case» gewonnen hat. Praktisch: Den PC kann er, statt ihn zu tragen, komfortabel an jede LAN-Party rollen.
Es sind diese Gamer-Grossevents, an denen sich die Modding-Community trifft, ihre Kreationen vergleicht und etwa über Wasserkühlungen für den Prozessor fachsimpelt – derzeit der letzte Schrei in der Szene. Eine der grössten LAN-Partys, die dieses Jahr in der Schweiz stattfindet, heisst Lanforce 6 und beherbergt die erste Schweizer Casemodding-Meisterschaft, deren Sieger diesen Samstag erkoren werden. Wohl ein einfaches Unterfangen: Nur knapp zwanzig Schweizer Modder haben sich angemeldet. Die Schweizer Modding-Szene ist klein; auf 200 Mitglieder schätzt Nicola Staub alias outofrange die Community. Frauen gibt es darin fast keine.
Staub ist einer der Mitorganisatoren der Schweizer Casemodding-Meisterschaft und hat selbst schon Stunden ins Verschönern seiner PCs investiert. «Einmal war ich vierzehn Stunden am Stück am Modden», verrät der 22-jährige gelernte Elektromonteur stolz. Nicht nur Zeit, sondern auch eine Menge Geld steckt in einem modifizierten PC. Die Wasserkühlung, die Staub beispielsweise in seinem Gehäuse hat, kostet 1500 Franken. Viele können sich solche Ausgaben nicht leisten. Sie sind auf Sponsoren angewiesen, wie etwa Heiko Burike, der für seinen giftgrünen Rennwagen-PC von einem Leuchtdioden-Geschäft mit Material ausgerüstet wurde.
Die Modding-Community hätte wohl nicht halb so viel Spass ohne ihre Webforen: Auf Diskussionsplattformen wie Easy-mod.de oder Tech-news.ch versorgen sich Gleichgesinnte mit Tipps, lassen ihre Werke bewerten oder beklagen sich über das Unverständnis der Freundin: «Muss mal mit meinem Drachen sprechen, vielleicht kann ich trotzdem kommen – glaube es aber nicht», meinte etwa ein User zu seiner Teilnahme an der ersten Schweizer Casemod-Meisterschaft – nicht ohne Selbstironie.
Wie bei Dark-Tweaker.com, wo sich Modder darüber auslassen, welchen Schaden ein PC wohl nehmen würde, wenn man ihn mit einer Nebelmaschine bestückte. Das Motto der Diskussion: «Qualm im Case – geil!»
Jan Graber
Schweizer Casemod-Meisterschaft an der Lanforce 6, 23.—25. April, Markthalle Burgdorf.