Mormonen-GesetzeIn Utah arbeiten Barkeeper im Verborgenen
Alkohol trinken ja, Alkohol sehen nein: Im strenggläubigen Utah muss das Barpersonal Drinks hinter Milchglasscheiben mischen.
Touristen, die im US-Staat Utah zum ersten Mal eine Bar besuchen, sind häufig irritiert. Auf den ersten Blick sehen die Pubs aus wie überall: Es gibt Barstühle, eine Dartscheibe und eine Bar. Aber wo ist der Barkeeper?
Religiöse Gründe
Wer sich aber an die Theke setzt, der sieht sich nicht einem Barkeeper gegenüber – und es hat auch keine an der Wand aufgereihten Flaschen. In Utah betrachten die Besucher stattdessen eine Milchglasscheibe, die sie von den Angestellten und den sündigen Getränken trennt.
Diese Milchglasscheiben nennt man Zion Curtains. Zion ist eine Anspielung auf die Kirche der Mormonen, die in Utah einen grossen Einfluss auf die Bevölkerung hat. In den Augen der Mormonen ist Alkohol zwar böse, aber in erster Linie, weil er die Kinder zu Sünde animieren könnte.
Trinken ja, sehen nein
Für uns hört sich das absurd an: Es ist verboten, Flaschen mit Alkohol sichtbar zu platzieren. Es ist aber keineswegs verboten, diesen Alkohol zu trinken. Für die Barkeeper der Pubs in Utah bedeutet das, dass sie ihre Drinks hinter dem Zion Curtain mischen – und sie erst fertig dem Gast zeigen und servieren.
Utah ist bei Alkoholgesetzen insgesamt strenger als die Nachbarstaaten: Normale Läden dürfen nichts mit einem Alkoholgehalt über 3,2 Prozent verkaufen. Alles darüber gilt als «heavy» und kann nur in speziellen «Liquor Stores» gekauft werden. Diese Stores schliessen spätestens um ein Uhr nachts und sind an Sonn- und Feiertagen ebenfalls zu.
Strenge Regeln bezüglich Menge
Der Staat Utah bestimmt auch, wie viel Alkohol in ein Mischgetränk reinkommt: nämlich maximal 70 Milliliter. Das macht das Mischen von Mixgetränken mit verschiedenen Sorten Alkohol ungleich komplizierter.
Damit aber nicht genug: Utah bemüht sich sehr, den Alkoholkonsum seiner Bürger einzuschränken. Aber absurderweise gibt es eine Mindestgrösse für Alkoholflaschen. Diese liegt bei zwei Dezilitern. Kleinere Flaschen dürfen nur in Hotels und Flugzeugen verkauft werden.
Abschaffung in Planung
Die Zion Curtains gibt es bereits seit den 1960ern. Damals musste man, um Alkohol zu trinken, Mitglied in einem Privatclub werden. In diesem Privatclub wurden hinter dem Zion Curtain Drinks gemischt. Die erste öffentliche Bar eröffnete in Utah erst 2009. Ebenfalls 2009 unternahm Gouverneur Jon Huntsman einen ersten Anlauf, um die Scheiben aus Bars zu verbannen.
Erfolglos: Innert weniger als einem Jahr standen die meisten wieder, neue Bars wurden dazu verpflichtet. Brad Wilson, ein Republikaner, versucht es aktuell mit einer neuen Regelung: Die Zion Curtains sollen weg, die Bars aber gewissermassen auch – sie sollen künftig in einer separaten Ecke der Räumlichkeiten aufgebaut werden, in der Jugendliche nicht sein dürfen.
«Denkt denn keiner an die Kinder?»
Senator Stuart Adams, Mormone und Befürworter der Zion Curtains, sagt auf Anfrage: «Es gibt keinen Beweis, dass die Scheiben nicht funktionieren. Ich möchte nicht, dass meine Kinder Zeugen einer Show werden, bei der Flaschen geworfen und Gläser angezündet werden. So werden sie denken, Trinken sei etwas Glamouröses, Spassiges. Dann wollen sie es auch.»
Der derzeitige Gouverneur von Utah, Gary Herbert, sieht das ein bisschen weniger dramatisch. «Es geht nicht nur um das Entfernen der Scheiben. Wir wollen auch mehr Prävention machen, wir wollen die Menschen bilden und ihnen den richtigen Umgang mit Alkohol zeigen.»