Lange vor dem Matcha-TrendEine Schale Tee als Schlüssel zur Ruhe
Matcha-Tee wird gerade überall als Superfood mit Superkräften angepriesen. Dabei wird fast vergessen, wo der gemahlene Grüntee seinen Ursprung hat.
In einem Nebenhaus des Museums Rietberg in Zürich liegt das Reich von Soyu Mukai, einer zierlichen Frau, die die Besucher in einem traditionellen japanischen Gewand empfängt. Mukai ist Teemeisterin und im Museum Rietberg Besitzerin des einzigen japanischen Teeraums in der Schweiz, der ihren hohen Ansprüchen genügt. Sie liess das Teezimmer nach jahrhundertealtem Vorbild in Japan anfertigen, wieder zerlegen und nach Zürich verschiffen. «Der Raum ist für 150 Jahre gebaut», erklärt sie beim Besuch von 20 Minuten. Die Teezeremonie, die Mukai zelebriert, ist jedoch rund 450 Jahre älter.
Bereits im 12. Jahrhundert brachten japanische Zen-Mönche gemahlene Grünteeblätter (die wir heute als Matcha kennen) aus China in ihre Heimat, wo sie schnell zum Bestandteil der Hochkultur wurden. Nur der obersten Gesellschaftsschicht war es erlaubt, das erlesene Getränk zu geniessen. Das Privileg, an einer Teezeremonie teilzunehmen, war Adligen und Intellektuellen vorbehalten – Frauen waren nicht zugelassen.
Man muss nicht mehr nach Japan reisen
Heute sind die Regeln freilich nicht mehr ganz so streng und für das feierliche Ritual muss man auch nicht mehr zwingend nach Japan reisen – es genügt ein Ausflug nach Zürich zu Soyu Mukai. Seit bald 30 Jahren ist die gebürtige Japanerin Teemeisterin. Mit 12 begann sie ihre Ausbildung, die fast 20 Jahre dauerte. «Ausgelernt habe ich jedoch nie», sagt Mukai, die heute Interessierte zu Teemeisterinnen ausbildet.
Der Besuch einer Teezeremonie ist ein ganzheitliches Erlebnis. Zwar ist der ungeübte Körper das lange Knien auf den eher harten Tatami-Matten nicht wirklich gewohnt und rächt sich mit Taubheitsgefühlen in den Füssen. Entschädigt wird man dafür mit einem magischen Schauspiel. Alles in der Teezeremonie folgt einem festgelegten Ritual. So sind Mukais Schritte durch den Raum nicht zufällig, sondern sorgsam abgezählt, jeder Handgriff mit der Wasserkelle, dem Chasen (ein Matcha-Besen aus Bambus) oder der Griff an die Teeschale – alles folgt uralten und bewährten Gesetzen. «Es gibt zahlreiche Arten der Zubereitung, die ich auf den Gast, die Jahreszeit oder den Anlass abstimme», erklärt Mukai.
Drei Schlucke – nicht mehr und nicht weniger
So elegant und feierlich das Ritual anmutet, so entspannend ist es. Der Genuss des Schälchens Matcha-Tee, der übrigens in genau drei Schlucken getrunken wird, wird fast zur Nebensache. «Die Eckpfeiler einer Teezeremonie sind Harmonie, Respekt, Reinheit und Stille», erklärt Soyu Mukai zum Ende der fast 90 Minuten langen Zeremonie.

Teemeisterin Soyu Mukai veranstaltet im Museum Rietberg in Zürich regelmässig Teezeremonien.
Alle Infos unter www.rietberg.ch und www.chado.ch