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Philipp Sahling«Eine Frau mit Stil trägt kein Chanel-Parfum»

Er hat einen guten Riecher fürs Millionen-Business mit Luxus-Parfums. Philipp Sahling über den Verkauf unsichtbarer Produkte und das No-Go von Hugo-Boss-Düften.

Yolanda Di Mambro
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Yolanda Di Mambro

Herr Sahling, exklusive Parfums sind Ihre grosse Leidenschaft. Was finden Sie interessanter, Damen- oder Herrendüfte?

Philipp Sahling: Das ist eine gute Frage. (Denkt kurz nach.) Ich glaube Damendüfte, weil Herrendüfte eigentlich ein pragmatisches und nicht schwieriges Produkt sind. Ein Mann kauft Marken. Meine Freunde tragen jetzt nur noch Düfte aus unserem Haus, weil ich ihnen im Urlaub stundenlang die Geschichten heruntergebetet und ihnen eingebläut habe: «Ihr legt grossen Wert auf gutes Essen und teure Schuhe, trägt aber das ganze Jahr einen Hugo-Boss-Duft für 30 Euro. Das trägt jeder Mann an jeder Strassenecke.» Frauendüfte sind hingegen ein Phänomen, weil Frauen anders mit dem Thema umgehen. Aber auch Frauen denken, dass ein Dior-Duft ein Luxus-Produkt sei. Das stimmt aber nicht. Dior Haute Couture ist Luxus, eine Dior-Handtasche ist Luxus. Aber ein Dior-Duft? Das ist alles, aber kein Luxus. Den kriegt man in jeder Import-Parfumerie, bei Douglas, Manor - überall. Eine Frau, die Stil hat und etwas auf sich hält, darf gern einen Chanel- oder Dior-Lippenstift tragen, aber bitte nicht auch noch den Duft dazu. Ein Chanel- oder Dior-Duft ist kein Luxus-, sondern ein Massenprodukt.

Legen Sie grossen Wert auf Luxus?

Ich brauche weder einen Aston Martin noch handgefertigte englische Massschuhe. Ich fahre einen Range Rover und trage normale Anzüge. In vielen Dingen ist mir diese Individualisierung bzw. das Exklusive nicht so wichtig. Ich gönne mir aber gern vier handgemachte Pralinen und ein gutes Schwarzbrot mit Wurst und Käse. Für mich heisst Luxus, im Flieger zu sitzen und mein selbstgemachtes Sandwich statt des servierten Schokoriegels zu essen. Für diese Momente investiere ich Zeit und Musse.

Vor zwei Monaten haben Sie einen kleinen Counter im Jelmoli in Zürich eröffnet. Nach welchen Kriterien haben Sie die Düfte für die Schweizer Kundschaft ausgesucht?

In unseren drei Vetriebsländern Deutschland, Schweiz und Österreich führen wir 35 bis 40 Marken. Die Auswahl für den neuen Counter in Zürich habe ich selber getroffen. Ich habe drei bekannte und drei weniger bekannte Luxusmarken gewählt, die ein langfristiges Potenzial haben. Im Juli haben wir in Zürich mit zwei der weniger bekannten Marken, nämlich Juliette has a Gun und Il Profumo, mehr Umsatz erzielt als mit der weltweit bekannten Marke Penhaligon's. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch Marken aus der zweiten Reihe zu positionieren.

Wann hat für Sie ein Duft ein Potenzial?

Das ist oft eine Bauchentscheidung. Als Erstes sehe ich mir die Marke als visuelles Ganzes an, ohne an den Düften zu riechen. Düfte sind sehr individuell. Es gibt nichts Schwierigeres, als einen Duft zu verschenken. Ich sage immer, dass ich mit dem einzigen unsichtbaren Produkt handle, das es in der Welt gibt. Es ist schwierig, unsichtbare Produkte zu verkaufen.

Sie sind immer auf der Suche nach exklusiven Nischenparfums. Hat man Ihnen auch schon eine Absage erteilt?

Ich habe in den letzten 12 Jahren schwierige und zähe Verhandlungen erlebt. Einmal haben wir eine Marke fast bis zum Schluss verhandelt. Die französischen Verhandlungspartner waren jedoch so schwierig und zäh, dass wir am Schluss von einer Zusammenarbeit abgesehen haben. Es gibt nur zwei oder drei Nischenmarken, die ich gern vertrieben hätte. Bei diesen Marken stimmte fast alles: das Produkt, die Verpackung, der Preis und die Geschichte. Leider waren die Düfte allesamt eine Katastrophe.

Gibt es Parfumhäuser, mit denen Sie unbedingt zusammenarbeiten möchten?

Es gibt eine Marke, von der wir glauben, dass sie sehr gut in unser Portfolio passen würde: Creed. Ihr Vertrieb in der Schweiz ist zu breit, man sollte sie hochwertiger vertreiben.

Wie schätzen Sie den aktuellen Duftmarkt ein?

Der Markt ist völlig übersättigt. Es gibt zu viele Parfümerien, zu viele Düfte, zu viele Marken und wenig Endverbraucher. Im Gegensatz zu früher schenkt man sich heute seltener ein Parfum. Heute sind Gadgets, iPhones und iTunes gefragt. Die Parfumbranche muss das Interesse der Endverbraucher aufrechterhalten - mit neuen Ideen und gewiss nicht mit immer neuen Marken und Düften. Dadurch macht man die Branche kaputt.

Ihre Leidenschaft für Parfums entdeckten Sie mit 14 Jahren, als Sie in den Schulferien im Lager von Albrecht & Dill arbeiteten. Welches war damals Ihr Lieblingsduft?

Aus dieser Zeit erinnere ich mich nur noch ans Cliff-Duschgel meines Vaters und an «Antaeus», den Chanel-Duft für Herren, der überhaupt nicht zu einem Jugendlichen passt und den ich heute nicht im Geringsten mag. Die Werbung hat mich wohl damals begeistert: die Frauenhand auf dem Rücken eines Adonis.

Welche Parfums aus Ihrem Portfolio tragen Sie selber?

Zu Hause habe ich nur drei Parfums stehen. «Reflection» von Amouage, «Endymion» von Penhaligon's und «Picadilly Circus» von Hugh Parsons. Hugh Parson ist eine kleine spannende Marke, die wir hier in Zürich noch nicht führen. Wenn die Zeit reif ist, werden wir sie aber auch hier verkaufen.

Wie entstehen Parfums? Ein Dokumentarfilm der BBC (Video: Youtube, BBC)

Ihre Meinung ist gefragt! Verraten Sie uns Ihre Lieblingsparfums. Wie viele Flakons stehen in Ihrem Badezimmer? Tragen Sie auch Nischenparfums wie Philipp Sahling und Parfumkenner? Welche Düfte können Sie gar nicht riechen? Haben Sie schöne Erinnerungen an ein bestimmtes Parfum (z. B. an Ihre Mutter, eine verflossene Liebe usw.)? Gehört ein gutes Parfum zum Verführungsspiel?

Philipp Sahling

Philipp Sahling (38) ist Geschäftsführer von Albrecht & Dill Cosmetics sowie Markengründer von SAHLING Düfte. Seine Leidenschaft für Parfums entdeckte er mit 14 Jahren, als er in den Schulferien im Lager der Hamburger Handelsfirma Albrecht & Dill arbeitete, die damals Importeur für Chanel-Parfums und -Kosmetik in Deutschland war. Der Teenager sammelte alles, was er vor der Vernichtung retten konnte. Und so wurde aus seinem Jugendzimmer eine kleine Chanel-Boutique.

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre arbeitete Sahling als Verkaufsleiter exklusiver Nischenparfums für Albrecht & Dill. Sahling, der vom Potenzial von Nischenparfums überzeugt war, erweiterte das Portfolio von zwei Marken (Annick Goutal und Erno Laszlo) auf fast 30. Seine Duft- und Pflegeauswahl wird inzwischen auch in eigenen Shops mit dem Namen SAHLING Düfte in Luxuskaufhäusern angeboten.

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