Frage von Irma (23) an Doktor Sex: Ich bin seit einem Jahr in einer stabilen Beziehung. Mein Freund macht mich glücklich und ist immer für mich da. Schon etwa in der Hälfte der Beziehung merkte ich aber, dass mit mir wohl etwas nicht stimmt. Mein Freund hat Übergewicht, ich hingegen gehöre eher zu den schlanken Menschen. Zu Beginn unserer Beziehung machte mir das keine Probleme. Der Sex war gut und ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Nun merke ich aber immer öfter, dass meine Lust schwindet, sobald er sich auszieht. Ich fühle mich schrecklich deswegen. Mittlerweile geht es sogar so weit, dass ich mir andere Männer beim Sex vorstelle, damit ich überhaupt zum Höhepunkt kommen kann. Ich liebe meinen Freund, aber sexuell fühle ich mich nicht ausreichend zu ihm hingezogen. Ich weiss überhaupt nicht, wie ich damit umgehen soll. Betrügen würde ich ihn nie. Lieber würde ich mich vorher erst von ihm trennen. Aber so, wie es jetzt ist, habe ich mir eine Beziehung nicht vorgestellt. Bleibt mir nur noch, Schluss zu machen oder hast du einen Tipp für mich?

Liebe Irma

Liebe macht blind, sagt ein Sprichwort. Auch bei dir scheint diese emotionsbedingte Sehstörung einige Zeit gewirkt zu haben. Jetzt bist du aber auf dem Boden der Realität gelandet. Deine Augen schauen nun nicht mehr durch die rosarote Brille der ersten Verliebtheit und du siehst ihn daher so, wie er eben ist: Mit ein paar Kilo Speck auf den Rippen. Und diese sind dir nun, wo du ganz ohne hormonelles Entzücken schaust, schlicht zu viel.

Du bist nicht die Einzige, der die postamouröse Ernüchterung einen ziemlichen Schrecken einjagt. Und du stehst auch nicht allein da mit den Auswirkungen, die sie auf die sexuelle Lust hat. Ich lese und höre immer wieder von dramatischen Entwicklungen in noch jungen Beziehungen, die auf dieses Phänomen zurückzuführen sind.

Beziehungen verändern sich – und zwar von Anfang an. Niemand bleibt für immer verliebt. Und niemand bleibt für immer ernüchtert. Wichtig scheint mir, dass du nun trotz allem gelassen bleibst. Das Äussere eines Menschen ist nur die eine Seite der Medaille. Und im Gegensatz zu den Charaktereigenschaften einer Person ist dieses – jedenfalls wenn es um Übergewicht geht – ziemlich einfach zu verändern.

Du darfst deinen Freund ruhig auf das ansprechen, was du gerade erlebst. Bitte ihn um ein offenes und vorurteilsloses Gespräch. Sag ihm, wie es dir geht und welche Auswirkungen das Geschehen auf dich hat. Verschweige ihm auch nicht, wie du dich dabei fühlst. Vermeide es aber, dich in endlosen Entschuldigungen zu verlieren. Es ist, wie es ist, und euer Ziel sollte sein, Lösungen zu (er-)finden und nicht, euch in einer Problemspirale zu verlieren.

Wie du schreibst, ist eure Beziehung stabil und ihr liebt euch beide. Und was den Sex angeht, scheint die Unstimmigkeit, die du erlebst, ja nicht inhaltlicher Natur zu sein. Es dürfte daher für deinen Freund nicht wirklich schwierig sein, deine Rückmeldung entgegenzunehmen und sich Gedanken darüber zu machen. Wie man Übergewicht abbaut, dürfte ihm wahrscheinlich klar sein: Anders essen. Weniger essen. Mehr bewegen. Letzteres könntet ihr auch gemeinsam tun.

Deine Frage an Doktor Sex: doktor.sex@20minuten.ch