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Doktor Sex«Seit sie geboren hat, will sie keinen Sex mehr!»

Seit eineinhalb Jahren muss Jan nun schon mit seiner Ehefrau verhandeln, wenn er Sex oder ein bisschen Zärtlichkeit möchte. Langsam hat er die Nase voll.

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Manche Frauen vergessen nach der Geburt, dass sie neben dem Kind auch noch einen Mann haben. (Symbolbild: Colourbox.com, Pindyurin Vasily)

Manche Frauen vergessen nach der Geburt, dass sie neben dem Kind auch noch einen Mann haben. (Symbolbild: Colourbox.com, Pindyurin Vasily)

Frage von Jan (33) an Doktor Sex: Seit der Geburt unserer zweiten Tochter vor eineinhalb Jahren hat meine Ehefrau keine Lust mehr auf Sex oder Zärtlichkeit mit mir. Zweisamkeit muss immer verhandelt werden, und wenn sie ab und zu einwilligt, spüre ich oft, dass es für sie ein Muss ist. Unsere Beziehung ist im Allgemeinen sehr stabil und harmonisch. Natürlich trübt diese Situation aber immer wieder unsere Stimmung. Ist dies eine normale Situation? Und was kann ich tun, um wieder Sex zu kriegen?

Antwort von Doktor Sex

Lieber Jan

Fragen zur Sexualität während der Schwangerschaft oder nach der Geburt werden häufig gestellt. Mehrheitlich sind es ziemlich verzweifelte Männer, die mir schreiben. Sie fühlen sich nach einer mehr oder weniger langen Zeit des Verzichtens auf Nähe und Sex und des aufrichtigen Bemühens um Verständnis für ihre Partnerin nicht mehr in der Lage – oder sind schlicht nicht mehr gewillt –, noch mehr Toleranz aufzubringen und die eigenen Bedürfnisse auf unbestimmte Zeit hintenan zu stellen. Auffallend sind bei den meisten Anfragen die grosse Rat- und Sprachlosigkeit sowie das Leiden der betroffenen Männer und Frauen. Immer wieder habe ich beim Lesen solcher Ausführungen den Eindruck, dass die Geschlechter komplett unterschiedliche Gründe haben, sich auf eine Beziehung einzulassen.

Während für viele Männer der Sex an sich und die Aussicht, diesen in einer Partnerschaft regelmässig haben zu können, der Hauptgrund zu sein scheint, eine Verbindung einzugehen, scheinen Frauen genau daraus Profit zu ziehen und Sex vorwiegend als Mittel zu nutzen, um eine emotional und sozial nachhaltige Beziehung zu etablieren. Ist dies geschehen und sind allenfalls sogar Kinder da, scheint es für viele Frauen keinen Grund mehr zu geben, Sex zu haben – ausser, um den Mann bei Laune zu halten, damit er ihnen nicht die Beziehung und somit die Sicherheit entzieht. Dies wiederum führt bei den meisten Männern zum Gefühl, um die Hauptsache betrogen zu werden und sie beginnen, die Beziehung infrage zu stellen. In den meisten Fällen geschieht das alles weitgehend unbewusst und hat nichts mit einer beabsichtigten Manipulation der Partnerin oder des Partners zu tun.

Was kannst du tun, um wieder Sex zu kriegen? Darauf zu warten, dass sich von selbst etwas ändert oder dass bei deiner Frau der Sexualtrieb wieder einsetzt, scheint mir wenig sinnvoll. Die menschliche Sexualität wird zwar durch Hormone beeinflusst aber nicht gänzlich davon bestimmt. Sex und der Antrieb dazu stellen sich also nicht einfach ein, man muss sie schon auch selber wollen. Naheliegender scheint mir, dich mit deiner Ehefrau an einen Tisch zu setzen und Klartext zu reden. Wenn du magst, kannst du ja meine These zu den unterschiedlichen Beweggründen als Gesprächsgrundlage nehmen und ihr könnt gemeinsam erörtern, inwiefern sie auf eure Beziehungsgeschichte und die aktuelle Situation zutrifft. Zwar hast du danach nicht gleich mehr Sex, aber eine Basis, von der aus ihr Entwicklung und Veränderung ins Auge fassen könnt. Falls es euch nicht gelingt, den Prozess alleine zu bewältigen, rate ich euch, bei einer Fachperson Unterstützung holen.

Wichtig scheint mir, dass du deiner Frau nicht vorwurfsvoll begegnest, auch wenn du dich vielleicht total im Recht fühlst. Die eigene Lustlosigkeit zu erkennen und zu merken, welche Auswirkungen sie auf die Beziehung und den Partner oder die Partnerin hat, ist nicht einfach – egal, ob man als Frau oder als Mann davon betroffen ist.

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