In dieser Bar wird man vom Atmen betrunken

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Hochprozentige LuftIn dieser Bar wird man vom Atmen betrunken

Bier und Cocktails waren gestern. Londons Gastro-Szene ist um eine Sensation reicher: Eine begehbare Alkohol-Wolke.
20 Minuten war vor Ort.

von
Marlies Seifert
London

Zum Klang von gregorianischen Gesängen geht es über einen dunklen Korridor hinunter in den Keller. Hier, in einem alten Klostergebäude direkt neben dem Borough Market, liegt Londons neuste Gastro-Sensation: Alcoholic Architecture. Die vom Designduo Bompas & Parr erdachte Pop-up-Bar verfügt über eine begehbare Alkohol-Wolke. Die Idee: Man trinkt den Alkohol nicht, man nimmt ihn über die Atemwege und die Augäpfel auf. Maximal 50 Minuten darf man sich in dem Alkoholdampf aufhalten. «Das entspricht etwa einem grossen Glas Bier», erklärt Pressesprecherin Erris De Stacpoole.

Wie Heinzelmännchen in einem Dampfbad

Nun denn: Auf ins Vergnügen! Aber nicht ohne eine Regenpelerine, die von den Veranstaltern zur Verfügung gestellt wird. Sie soll Haare und Kleider vor Nässe bewahren, denn die Luftfeuchtigkeit in dem Raum beträgt 140 Prozent. «Breathe Responsibly» – «Atmen Sie vorsichtig» warnt ein Neonschild vor dem Betreten. Der Nebel ist so dicht, dass man die anderen Bargäste nur schemenhaft erkennen kann. In ihren Regencapes und Schutzmützen sehen sie aus wie Heinzelmännchen – und bewegen sich langsam zu Siebzigerjahre-Sound von Iggy Pop und David Bowie. Die Musik ist gedämpft. Man soll sich so fühlen, als ob man selbst in einem Glas sitze.

Es kommt mir eher so vor, als würde ich in einem kalten Dampfbad stecken. Abgesehen von einer leichten Süsse kann ich in der feuchten Luft nichts ausmachen. Ich atme ein, atme aus. Mehr als zehn Minuten am Stück hält man es bei diesem Klima kaum aus. Angeschickert? Fehlanzeige. Das ist wohl auch der Grund, weshalb neben dem Alkohol-Dunst doch auch noch Cocktails serviert werden. Hier wird auch das sakrale Thema wieder aufgenommen: Der Bar-Mann bekreuzigt seine Gäste mit ernster Miene, bevor er ihnen Hochprozentiges vorsetzt, das von Mönchen gebrannt und gebraut wurde: Chartreuse aus Frankreich, Trappisten-Bier aus Belgien oder Buckfast-Likör aus Südengland.

Trinken aus dem Schädel

Zur Unterstützung der schaurigen Stimmung wird der «Skull Punch» aus einem echten menschlichen Schädel getrunken. «Ich weiss nicht, ob der Typ das gutgeheissen hätte», sagt ein Gast, bevor er einen grossen Schluck aus der Schädeldecke nimmt. «Das Stück wurde in einem Geschäft in Hackney, im Osten Londons, gekauft», erklärt das Büro von Bompas & Parr auf Anfrage. «Um einen sicheren Trinkgenuss zu gewähren, wurde die Schädeldecke versiegelt.»

Nach ein paar weiteren Sessions in der Wolke sind die 50 Minuten auch schon um. Was bleibt, ist klebrige Haut und ein ganz leichter Schwips. Zehn Pfund – umgerechnet etwa 15 Franken – kostet der Spass. Wenn man bedenkt, dass man das in London auch für einen normalen Drink zahlt, lohnt sich das Erlebnis allemal. Trotzdem steuern wir direkt danach ein Pub an und gönnen uns ein Bier – aus dem Glas.

Alcoholic Architecture ist vorerst ein halbes Jahr lang in Betrieb. Adresse: 1 Cathedral Street, SE1 9DE London. Tickets können hier bestellt werden.

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