Wie die Post die Kleinsten ködert

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Süsses in GriffweiteWie die Post die Kleinsten ködert

Während Migros quengelfreie Familienkassen einführt, positioniert die Post ihre Süssigkeiten auf Kinderaugenhöhe. Auf Reklamationen reagiert der gelbe Riese mit Erziehungsratschlägen.

A. Hirschberg
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A. Hirschberg

Welche Mutter und welcher Vater kennt das nicht: Man steht an der Kasse, ist mit aufs Band Legen, Zahlen und Eintüten beschäftigt und versucht, die Kasse nicht zu lange für den Nachfolger zu belegen. Währenddessen hängen einem die Kleinen an den Beinen, weil sie eine der Süssigkeiten aus dem Regal längs der Kasse wollen. Das ist Stress pur. Dies hat mittlerweile auch die Migros erkannt und nach jahrelangem Druck des Kosumentenschutzes süssigkeitenfreie Familienkassen eingeführt.

Doch während die einen abbauen, rüsten andere auf. Dazu gehört die Post. Sie hat in den letzten Jahren in zahlreichen Poststellen Süssigkeitenständer eingeführt. Der sogenannte Minikiosk steht auf dem Boden direkt neben dem Schalter. Erwachsene, die einen Schoggistengel wollen, müssen sich bücken. Für Kinder - insbesondere die ganz Kleinen - ist hingegen alles in Griffweite.

Geldangelegenheiten regeln und Kinder beaufsichtigen?

Ein Ärgernis für Eltern, weil gerade auf der Post oft heikle Geschäfte wie Zahlungen oder der Versand wichtiger Korrespondenz abgewickelt werden, bei denen Konzentration gefordert ist. «Wie soll ich gleichzeitig die Geldangelegenheiten regeln und die Kinder hinter mir vom Berühren der Süssigkeiten abhalten?», fragt darum Brigitte Hollinger aus Basel.

Sie ist nicht die Einzige, die sich über den Minikiosk ärgert. «Die sind für Eltern mit kleinen Kindern an der Stelle einfach nur mühsam. Dabei hätte es auf dem Tablar zwischen den Schaltern genügend Platz für sie», ärgert sich eine Mutter aus Zürich.

Erziehungslektion von der Post

Brigitte Hollinger hat nicht lange gefackelt, sondern einen Brief an die Post geschickt. Über die Antwort ist sie sehr enttäuscht. Denn Andreas Etter, Leiter Marketing-Kommunikation, erklärt der Mutter nicht nur, dass der Minikiosk beim Schalter zum Poststellen-Konzept gehöre. Er erteilte ihr auch gleich eine Lektion in Sachen Erziehung: «Einer Verlockung nachzugeben oder zu widerstehen ist eine Frage von Selbstverantwortung und Erziehung. Eine Unternehmung kann diese Verantwortung den Eltern nicht abnehmen.»

«Ich hatte eigentlich Kundenfreundlichkeit erwartet und nicht eine Belehrung», schreibt Hollinger in einem Mail an 20 Minuten Online. Doch die Post ist unnachgiebig: «Drittprodukte wie Handys, Papeterieprodukte oder Süssigkeiten sind für die Post wichtig», erklärt Pressesprecherin Nathalie Salamin gegenüber 20 Minuten Online. Weil sich die Menge, der am Schalter aufgegebenen Briefe und Pakete, innert 10 Jahren praktisch halbiert habe, sei dieses Verkaufssegment für die Erhaltung der Poststellen bedeutend.

Der Minikiosk sei zudem nicht das einzige Regal, das bis auf den Boden reiche, fügt Salamin an. Wichtig für die Platzierung sei, dass die Produkte die Aktivitäten am Schalter nicht stören. Und: «Wir zwingen niemanden, etwas zu kaufen.»

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