Forscher drehen Tinnitus den Ton ab

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Forscher drehen Tinnitus den Ton ab

In der Schweiz leiden schätzungsweise 550 000 Menschen unter lästigen Ohrgeräuschen. Jetzt beweist eine wissenschaftliche Studie: Dank Musiktherapie können viele Patienten auf den Tinnitus pfeifen.

Es hämmert, pocht, rauscht, pfeift und summt - und das in den Gehörgängen von rund einer halben Million Schweizern: Wer unter chronischem Tinnitus leidet, muss mit einem ständigen Ohrgeräusch leben. Die Folgen: Schlaf- und Konzentrationsstörungen - selbst Depressionen kann der anhaltende Krach im Ohr auslösen.

Die Hilfsangebote für Patienten sind vielseitig: Sie reichen von Bewegungs-, Tanz- und Gestaltungstherapie über Psychotherapie bis hin zur Hörtherapie.

Dass sich letztere als besonders vielversprechende Behandlung erweist, zeigen die Ergebnisse einer Studie am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung in Heidelberg. Insgesamt wurden zwei Gruppen von insgesamt 132 Probanden mit passiven und aktiven Therapieeinheiten behandelt: Der aktive, neu entwickelte Teil bestand aus Stimmübungen mit einem Musiktherapeuten. Die passiven Einheiten zielten auf Stressbewältigung, Rückbildung psychischer Begleiterscheinungen sowie Verbesserung der Aufmerksamkeits- und Hörleistung ab.

Während die eine Gruppe alle Therapieeinheiten innerhalb einer Woche absolvierte, wurde die zweite Gruppe einmal in der Woche behandelt.

Im Vergleich zur zweiten Gruppe schlugen die Teilnehmer der intensiv behandelten Gruppe etwas besser auf die Therapie an.

Bei rund 80 Prozent der Studienteilnehmer, die vorwiegend unter Pfeif- und Piepsgeräuschen litten, war der Tinnitus entweder komplett verschwunden, oder die Symptome besserten sich deutlich.

Studie macht Tinnitus «sichtbar»

Auch auf neurowissenschaftlicher Ebene konnte die Forschergruppe die Wirkung des musiktherapeutischen Konzepts nachweisen. Kernspintomographische Aufnahmen der Studienteilnehmer zeigten, dass der Tinnitus nicht ausschliesslich das Ergebnis einer fehlerhaften Verarbeitung von Geräuschen im Gehirn ist. Dies wurde lange Zeit angenommen. Die Untersuchung gibt Hinweise darauf, dass auch Gehirnstrukturen, die sich nicht vorrangig dem Gehörsinn zuordnen lassen, für die Entstehung von Tinnitus mit verantwortlich sind.

Damit das Theapiekonzept zukünftig nicht nur Patienten hilft, die unter Pfeif- oder Piepsgeräuschen leiden, knüpft der Forschungsverbund mit einer weiteren Studie an die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse an. Die Rekrutierung der Probanden hat bereits begonnen.

(rre)

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