Der vergessene Mann

Aktualisiert

GleichstellungDer vergessene Mann

Keine familienfreundlichen Arbeitsmodelle, kein Vaterschaftsurlaub, wenig Wertschätzung: Das starke Geschlecht leidet, wie eine Umfrage von 20 Minuten Online zeigt. Doch für die Politik sind Männeranliegen kein Thema.

Bruno Wermuth
von
Bruno Wermuth
Männer habens schwer. (Bild: Colourbox.com)

Männer habens schwer. (Bild: Colourbox.com)

Während die Frauen neulich am Frauentag erneut für mehr Lohn trillerten, pfeifen die Schweizer Männer bald aus dem letzten Loch. Eine nicht repräsentative Umfrage von 20 Minuten Online zeigt: Geht es um Gleichstellung, sind die Männer die neuen Frauen - verkannt, vernachlässigt und benachteiligt.

Fast ein Viertel von ihnen gibt an, sich aufgrund ihres Geschlechts eher benachteiligt zu fühlen, für 12 Prozent ist die Benachteiligung sogar eindeutig. Bei den Frauen sind es heute nur halb so viele. Im Haushalt und in der Ehe fühlt sich über ein Fünftel der Männer im Nachteil. Gegenüber den eigenen Kindern, beim Rentenalter und der Wehrpflicht sind es 60 Prozent, beim Thema Scheidung sogar 85 Prozent.

Gleichzeitig finden fast drei Viertel der Männer, dass sie für ihr Engagement in der Familie zu wenig Wertschätzung erhalten. Es ist offensichtlich: Die Gleichstellungsfrage muss aus einer neuen Perspektive betrachtet werden – aus jener der Männer.

Die Anliegen der Männer sind politisch kein Thema

In Bundesbern finden die Anliegen der Männer im Gegensatz zu jenen der Frauen aber überhaupt kein Gehör. Die Alltagsrealität wird total ignoriert. Dies zeigt die Diskussion über die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall: Während sich fast drei Viertel der weiblichen und 90 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer dafür aussprechen, tun sich Bundesrat und Parlament weiterhin schwer mit einem Entscheid.

In Bezug auf familienverträgliche Arbeitszeitmodelle für Männer ist man sich in Bern noch nicht einmal einig, ob Männer an Teilzeitarbeit überhaupt interessiert sind. Auch hier schafft die Umfrage Klarheit: Nur ein Drittel der männlichen Teilnehmer gibt an, nicht Teilzeit arbeiten zu wollen. Viele Männer sitzen in der Ernährerfalle. Das zeigt die Tatsache, dass sich ein Drittel von ihnen Teilzeitarbeit aus finanziellen Gründen nicht leisten kann. Für mehr als 40 Prozent der Umfrageteilnehmer gibt es an ihrem aktuellen Arbeitsplatz gar keine Möglichkeit, das Pensum zu reduzieren. Mehr als ein Drittel von ihnen würde bei der Einführung eines entsprechenden Angebotes aber davon profitieren wollen.

Wann kommt der Vaterschaftsurlaub?

Ähnlich verfahren ist die Situation in Zusammenhang mit der Einführung einer Väter- und Elternzeit. Während die bürgerliche Mehrheit im Parlament kein entsprechendes Bedürfnis sieht oder endlos die Finanzierbarkeit diskutiert, ist die Sache für die Teilnehmenden der Umfrage klar: Unabhängig vom Geschlecht stehen sie der Einführung von mehr Vater- und Elternzeit grundsätzlich positiv gegenüber. Mehr als 60 Prozent befürworten die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs analog zum bestehenden vierzehnwöchigen Mutterschaftsurlaub.

Ebenso klar ist das Bekenntnis zu dem von einer Parlamentariergruppe angeregten steuerbefreiten Elternsparen und der von der EU geförderten Variante der mindestens viermonatigen Elternzeit mit einem obligatorischen Anteil für Väter von mindestens einem Monat. Beim Stichentscheid setzt sich das EU-Modell durch, knapp vor dem bezahlten Vaterschaftsurlaub. Das Signal ist klar: In dieser Frage muss endlich eine Lösung her!

Der Vater hat eine Vorbildfunktion

Denn: Väter spielen in der Familie eine wichtige Rolle. Für über ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage ist der Vater in der Erziehung der eigenen Kinder ein Vorbild. Etwas weniger als ein Drittel orientiert sich an ihm im Umgang mit dem Partner oder der Partnerin. Für mehr als ein Fünftel ist der eigene Vater ein Bezugspunkt, wenn es um die Pflege von Freundschaften und den Umgang mit Genussmitteln geht.

Die Nummer eins ist er aber, was den Beruf anbelangt: Fast 50 Prozent orientieren sich diesbezüglich an ihm. Kein Wunder, ist man versucht zu sagen - schliesslich verbringt er damit auch die meiste Zeit: 70 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach.

Quoten sind keine Lösung

Trotz punktueller Benachteiligungen sieht eine klare Mehrheit der Männer in Quoten kein probates Mittel gegen Ungleichheiten – fast vier von fünf Teilnehmern sprechen sich grundsätzlich gegen Geschlechterquoten aus.

Umfrage: Sind Männer die neuen Frauen?

Insgesamt 5414 TeilnehmerInnen, davon 4277 Männer (79 Prozent) und 1137 Frauen (21 Prozent) haben bei der nicht repräsentativen Umfrage von 20 Minuten Online mitgemacht.

Rund 80 Prozent der TeilnehmerInnen sind im «Familienalter» zwischen 20 und 50 Jahren, fast drei Viertel davon leben in einer Beziehung, die restlichen sind single. Knapp 40 Prozent sind verheiratet.

Ungefähr ein Drittel der TeilnehmerInnen hat 1 bis 2 Kinder. 38 Prozent der Männer und 50 Prozent der Frauen haben noch keinen Nachwuchs, möchten aber später welchen haben.

Deine Meinung zählt