2. WeltkriegEingeständnis: Frankreich hat Juden deportiert
Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende hat der französische Staatsrat erstmals die Verantwortung des Staates für die Judenverfolgung anerkannt. Das Vichy-Regime sei während der deutschen Besatzung für Deportationen verantwortlich gewesen, die zur Vernichtung von Juden geführt hätten.
Allerdings seien alle Ansprüche auf Entschädigung seit 1945 schon beglichen worden, heisst es dem Urteil des höchsten Gerichts für Staatsangelegenheiten (Conseil d'Etat). Exstaatspräsident Jacques Chirac hatte erstmals ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Verantwortung Frankreichs für die Judenverfolgung anerkannt. Nach Ansicht des Staatsrates trug dies zur «symbolischen Entschädigung» der Opfer und ihrer Angehörigen bei.
Mit einer Verordnung vom 9. August 1944 habe das Vichy-Regime «Handlungen von einer aussergewöhnlichen Schwere» zu verantworten, erklärte der Staatsrat. Ohne direkten Zwang der deutschen Besatzer seien Deportationen erlaubt oder erleichtert worden. Es habe Festnahmen, Internierungen und Transporte in Übergangslager auf dem Weg in die Gaskammern gegeben.
Bis 1945 wurden 76 000 Juden aus Frankreich deportiert, darunter 11 000 Kinder. Nur 3000 von ihnen kehrten aus den Vernichtungslagern zurück.
Wahlkämpfer Sarkozy: Frankreich braucht nicht erröten
Der Staatsrat bezeichnete es als Notwendigkeit, dass der Staat die Verantwortung übernommen und Entschädigung für das Leid der Deportationen geleistet habe, «soweit dies möglich war». Chirac hatte 1995 als erster Staatschef die Verantwortung für die Verbrechen während der deutschen Besatzungszeit anerkannt, dies gilt als eine seiner grossen Leistungen. Sein Nachfolger Nicolas Sarkozy schlug hingegen während des Wahlkampfes entgegengesetzte Töne an. Frankreich brauche angesichts seiner Geschichte «nicht erröten», erklärte er im Juli 2007 in Nizza. «Denn es hat den Völkermord nicht begangen, und es hat die 'Endlösung' nicht erfunden.»
Das Pariser Verwaltungsgericht bat den Staatsrat um sein Urteil, nachdem die Tochter eines in Auschwitz getöteten französischen Juden auf Entschädigung geklagt hatte. Zu dem konkreten Fall nahm der Staatsrat am Montag keine Stellung, sondern verwies ihn an die Instanzen zurück. Heute lebt in Frankreich die grösste jüdische Gemeinde in Westeuropa, nach Schätzungen gehören ihr 500 000 Menschen an.
(dapd)