IsraelEin Ultra als Königsmacher
«Ohne Loyalität keine Staatsbürgerschaft», heisst eine überall in Israel plakatierte Wahlkampfparole - ein kaum verhüllter Angriff auf die arabische Minderheit. Dahinter steht der Ultranationalist Avigdor Lieberman, für seine Anhänger die grösste Hoffnung des Landes und für seine Gegner ein gefährlicher Scharfmacher. Bei der Parlamentswahl am Dienstag könnte sich Lieberman als Königsmacher erweisen.
Seine Partei Israel Beiteinu (Unser Haus Israel) hat in jüngsten Umfragen die Arbeitspartei von Verteidigungsminister Ehud Barak vom dritten Platz verdrängt und kann mit bis zu 18 Mandaten rechnen. Damit könnten beide Rivalen um das Amt des Regierungschefs, Benjamin Netanjahu (Likud) und Zipi Livni (Kadima), nur schwer ohne ihn eine Regierungskoalition bilden. Ein erstaunlicher Aufstieg für den 50-jährigen Einwanderer aus Moldawien, der noch heute mit starkem russischen Akzent spricht und der bei seinem Einstieg in die Politik vor einem Jahrzehnt als kleiner Fisch betrachtet wurde.
Treueschwur oder Ausbürgerung
Seine Haltung polarisiert. Am umstrittensten ist seine Forderung, die Grenzen Israels neu zu ziehen und Gebiete mit überwiegend arabischer Bevölkerung auszugliedern und palästinensischer Verwaltung zu unterstellen. Wer bleiben will, soll einen Treueeid auf Israel ablegen müssen, andernfalls verlöre er das aktive und passive Wahlrecht. Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft machen derzeit rund 20 Prozent der sieben Millionen Einwohner aus und sind mit rund einem Dutzend Abgeordneten im Parlament vertreten.
Vom Vorwurf des Rassismus zeigt sich Lieberman unbeeindruckt. Harte Zeiten erforderten eben harte Massnahmen. «Israel ist zweifachem Terror ausgesetzt, von innen und von aussen», sagte er kürzlich auf einer Sicherheitskonferenz. «Und Terrorismus von innen ist immer gefährlicher als Terrorismus von aussen.» Seine Sprüche finden Anklang bei Wählern, die frustriert sind über die gespannten Beziehungen zu den arabischen Mitbürgern. Das Stocken des Friedensprozesses und die jüngste Gaza-Offensive haben den Wunsch nach einem starken Mann verstärkt.
Rassismus verkehrt
«Der Krieg hat die Meinungen gespalten, und er bietet einfache Antworten - schwarze und weisse Antworten», erklärt der Meinungsforscher Jizchak Katz die Anziehungskraft Liebermans. «Wir brauchen einen wie ihn, um mit den Arabern fertig zu werden», findet Izik Schimon, ein Gemüsehändler aus Jerusalem. «Wir sind zu gnädig mit denen. Er wäre das nicht.»
Der frühere Abgeordnete Jossi Sarid hält Lieberman für eine Gefahr für die Demokratie. «Wo ist der Unterschied zwischen seiner Partei und den ganzen faschistischen Parteien in Europa?», fragt er. «Das ist die gleiche Botschaft, die gleiche Technik, das Spiel mit den gleichen Ängsten.» Der arabische Abgeordnete Achmad Tibi fordert das Ausland sogar auf, Israel zu boykottieren, wenn Lieberman an die Macht käme, und erinnert an Jörg Haider in Österreich. «Haider war ein einheimischer Rassist, der gegen Einwanderer gekämpft und zu Fremdenhass aufgestachelt hat», sagt Tibi. «Hier haben wir einen rassistischen Einwanderer, der gegen die Einwohner des Landes kämpft, gegen die Hiesigen. Das ist eine noch schlimmere Form von Rassismus.» (dapd)