Frauen in Saudi-Arabien«Sport kann die Jungfräulichkeit zerstören»
Frauen ist in Saudi-Arabien vieles verboten. Auch Sport treiben dürfen sie nicht. Die überraschende Antwort eines Prinzen auf die Frage eines Mädchens weckt nun Hoffnung auf einen Wandel.
Warum bloss, fragte die Achtjährige, dürften nur die Jungs an der Schule Sport treiben und Spiele austragen, «aber wir Mädchen dürfen gar nichts?!» Er hoffe, dass auch an Mädchenschulen Sportplätze erlaubt würden, antwortete Chaled al Faisal, Gouverneur der Heiligen Stadt Mekka und eines der ranghöchsten Mitglieder der jüngeren Generation des saudischen Königshauses.
Das ist nicht so selbstverständlich, wie es klingt. Im konservativen Königreich stehen der körperlichen Ertüchtigung von Mädchen und Frauen noch hohe Hürden entgegen. Die in der Lokalpresse wiedergegebenen Äusserungen des Prinzen diese Woche bei einem Besuch in Dschidda waren die bislang positivste offizielle Stellungnahme und ein Anzeichen dafür, dass ein Sinneswandel einsetzen könnte.
Turnunterricht ist verboten
In den staatlichen Mädchenschulen ist Turnunterricht verboten. Saudische Athletinnen dürfen nicht an Olympischen Spielen teilnehmen. Frauensportveranstaltungen wurden schon mal abgesagt, sobald der Klerus Wind davon bekam. Manche Geistliche führen gar als Argument ins Feld, dass beim Laufen und Springen das Jungfernhäutchen reissen und die Heiratschance des Mädchens gemindert werden könnte.
Dass Frauen unter anderem weder Sport treiben noch Auto fahren noch wählen dürfen, liegt an der strengen islamischen Glaubensrichtung, der Saudi-Arabien anhängt. Die konservative Geistlichkeit hat in Staat und Gesellschaft grossen Einfluss und untersagt alles, was ihrer Auffassung nach zur Emanzipation führen oder Frauen verleiten könnte, von den Werten des rechten Glaubens abzufallen.
Rentnerinnen-Marathon im Einkaufszentrum
Trotz aller Hindernisse gab es in den letzten paar Jahren doch kleine Fortschritte. In aller Stille stellten Frauen überall im Land Fussball-, Basketball-, Volleyballmannschaften und andere Teams zusammen. Prinzessin Adelah, die Tochter König Abdullahs, erklärte jüngst öffentlich, dass man sich angesichts der zunehmenden Erkrankungen als Folge von Fettleibigkeit und Bewegungsmangel ernsthaft Gedanken darüber machen müsse, Sportunterricht in Mädchenschulen einzuführen. Presseberichten zufolge sind 52 Prozent der Männer und 66 Prozent der Frauen in Saudi-Arabien übergewichtig oder fettleibig.
Erst vergangenes Wochenende eröffnete eine Rentnervereinigung in Dschidda in einem Einkaufszentrum einen Geh-Weg von einem Kilometer Länge, der Seniorinnen auf Trab bringen soll. Gleich zum Start liefen einige Damen, von Kopf bis Fuss in Schwarz gehüllt und die Handtaschen fest umklammert, den ersten «Marathon».
«Nur schamlose Frauen» im Fitness-Klub
Der sportbegeisterte Prinz versicherte, dass Leibesübungen für Mädchen nur in Abstimmung mit dem Bildungsministerium und mit Vorkehrungen zum Schutz der weiblichen Privatsphäre eingeführt würden. Das Thema ist auf den Leserbriefseiten der Zeitungen heiss umstritten. Vergangenen Monat empörten sich drei hohe Geistliche über Forderungen, mehr Fitnessstudios für Frauen zu eröffnen. Damit wäre «dem Verfall der Sitten Tür und Tor geöffnet», befürchteten sie, denn: «Es ist wohlbekannt, dass nur schamlose Frauen derartige Klubs aufsuchen.»
Scheich Abdullah al Mani, ein Berater des Hofes, meldete sich in einer Kolumne in der Zeitung «Al Watan» zu Wort und warnte Jungfrauen, sich das mit dem Sport gut zu überlegen: «Fussball oder Basketball erfordern es, zu laufen und zu springen, und das kann das Hymen beschädigen», schrieb er. «Wenn sie dann heiratet, glaubt ihr Ehemann, dass das Jungfernhäutchen als Folge einer unmoralischen Handlung zerstört wurde.» Die Konsequenz: «Er wird sich entweder scheiden lassen oder ihrer Keuschheit nicht mehr trauen.»
Das wollte «Al Watan»-Kolumnistin Halima Muthafar nicht unerwidert stehenlassen. Sie schrieb: «Ich frage den Scheich: Wenn seiner Meinung nach das Jungfernhäutchen der Grund ist, weshalb Mädchen keinen Sport treiben sollen, was ist dann mit verheirateten Frauen? Was sollte sie abhalten?»
Donna Abu-Nasr, AP