Leterme will zur OECDStaatskrise in Belgien verschärft sich
In Belgien sind die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung vollständig blockiert. Jetzt will auch der geschäftsführende Ministerpräsident das Handtuch werfen. Er möchte zur OECD wechseln.
Überraschung und steigende Unsicherheit mischten sich in die ersten Reaktionen auf die beiden Hiobsbotschaften. Allerdings zeigen einige Politologen auch Verständnis für Leterme, der seit dem Auseinanderbrechen der Koalition im April 2010 nur noch kommissarisch im Amt ist.
Der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) habe ihn als seinen Stellvertreter vorgeschlagen, teilte Leterme am Dienstagabend in Brüssel mit. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten müssten darüber am Freitag entscheiden.
OECD wartet nicht allzu lange
Sollte er den Zuschlag für den Posten bekommen, werde sich der Termin für seinen Amtsantritt nach seinen «Verantwortlichkeiten als geschäftsführender Regierungschef» Belgiens richten, erklärte Leterme weiter.
Aus seinem Umfeld hiess es, die OECD rechne mit einem Wechsel «spätestens zum Jahresende». Leterme werde seine Aufgaben in Brüssel zunächst weiterführen, doch sei auch «klar, dass die OECD nicht ein oder zwei Jahre wartet, bis Belgien eine Regierung findet», sagte ein Vertrauter.
Mit der Regierungsbildung tun sich Belgiens Parteiverantwortliche weiterhin schwer. Das bestätigte der designierte Regierungschef Di Rupo in einem Communiqué in der Nacht auf Mittwoch: Die institutionellen Verhandlungen mit Blick auf eine Regierungsbildung seien völlig blockiert, meldete der Parteivorsitzende der französischsprachigen Sozialisten.
Bei der Staatsreform geht es unter anderem um die Neugestaltung des Wahl- und Gerichtskreises Brüssel-Halle-Vilvoorde - Sinnbild für den Sprachenstreit zwischen niederländisch sprechenden Flamen und französischsprachigen Wallonen. Weitere Streitpunkte sind die Verlagerung von Geldströmen und Kompetenzen in die Regionen sowie die Refinanzierung der Hauptstadtregion Brüssel.
König gefordert
Zu diesen Problemen mischt sich jetzt die Frage nach der Nachfolge Letermes. Möglich wäre, dass Vize-Premier und Finanzminister Didier Reynders das Amt übernimmt, oder dass der König einen neuen geschäftsführenden Regierungschef ernennt. Klar ist aber nichts, denn laut belgischen Politologen hat seit der Staatsgründung 1831 nie ein geschäftsführender Premier sein Amt abgegeben.
Für König Albert II. scheint die Situation ernst genug, um seine Kurzferien in Nizza zu unterbrechen, die er erst Anfang Woche angetreten hatte. Wie die belgische Nachrichtenagentur Belga meldete, sollte der König noch am Mittwoch nach Brüssel zurückkehren.
(sda)