EnthüllungsbuchAls Jelzin in Unterhosen ein Taxi suchte
Ein betrunkener Boris Jelzin, der nachts in Unterhosen Pizza essen wollte, ein heftiger Streit mit Al Gore, die Lewinsky-Affäre – über diese und andere Episoden sprach der ehemalige US-Präsident Bill Clinton in «geheimen» Interviews mit einem Historiker. Der hat daraus nun ein Buch verfasst.
Im Oktober 1995 weilte der trinkfreudige russische Präsident Boris Jelzin zu einem Staatsbesuch in den USA. Eines Nachts entdeckten Agenten des Secret Service, wie Jelzin im Vollsuff und nur in Unterhosen bekleidet auf der Pennsylvania Avenue vor dem Weissen Haus stand und versuchte, ein Taxi anzuhalten. Er wolle eine Pizza essen, habe der Präsident gelallt. In der folgenden Nacht verirrte sich der erneut betrunkene Jelzin im Blair House, dem Gästehaus des US-Präsidenten, in den Keller. Ein Wachmann hielt in für einen Einbrecher. Russische und amerikanische Agenten konnten einen Skandal gerade noch vermeiden.
Dies ist die pikanteste Episode des Buches «The Clinton Tapes: Wrestling History with the President», das demnächst in den USA erscheint. Es basiert auf 79 Gesprächen, die der renommierte Historiker und Pulitzerpreisträger Taylor Branch mit US-Präsident Bill Clinton während dessen Amtszeit von 1993 bis 2001 im Weissen Haus geführt hatte. Der Präsident nahm die Interviews, in die nur wenige eingeweiht waren, auf Band auf, die Kassetten versteckte er bei seinen Socken, erklärte Branch gegenüber «USA Today».
Wortgefecht mit Al Gore
Der Historiker zeichnete jeweils auf der Heimfahrt eine Zusammenfassung der Gespräche auf Band auf. Er hatte 1972 mit Clinton eine Wohnung in Texas geteilt, als beide für den erfolglosen demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern gearbeitet hatten. Nun hat er aus seinen Bändern ein 700-seitiges Buch verfasst, das Clintons eigene Sicht auf die Ereignisse seiner Präsidentschaft vermitteln soll.
Eine weitere Episode betrifft einen heftigen Streit mit Al Gore nach dessen Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2000 gegen George W. Bush. Clinton warf seinem Vize vor, ihn im Wahlkampf zu wenig eingesetzt und deshalb verloren zu haben. Gore antwortete, Clintons «skandalöser Schatten» sei eine Belastung für ihn gewesen. Am Ende hätten sich die beiden in einem zweistündigen Wortgefecht gegenseitig Vorwürfe an den Kopf geworfen.
Lewinsky-Skandal: «Ich bin durchgedreht»
Zum Skandal um die Affäre mit Monica Lewinsky, auf den Gore anspielte, äusserte sich der Präsident in den Gesprächen mit Taylor Branch sehr zurückhaltend – auch aus Angst, die Bänder könnten entdeckt und vor Gericht gegen ihn verwendet werden. Er habe damals unter enormem persönlichen und politischen Druck gestanden und sei «einfach durchgedreht», sagte Clinton. Gemäss Branch begann die Affäre im November 1995. Einige Monate nach Clintons Wiederwahl 1996 sei sie nochmals kurz aufgeflammt.
Er glaube, Bill Clinton sei früher öfters fremdgegangen, sagte der Historiker zu «USA Today». Er habe sich vorgenommen, es im Weissen Haus nicht zu tun, «weil zu viel auf dem Spiel stand». Zu 99 Prozent sei es ihm gelungen, «aber dann versank er in Selbstmitleid und wurde schwach» – eine Anspielung auf den republikanischen Sieg bei der Kongresswahl 1994, den Tod seiner Mutter und die Untersuchung im Whitewater-Skandal – alles Dinge, die Clinton empfänglich für eine Affäre gemacht hätten.
Bill Clintons 2004 veröffentlichte Memoiren habe er als «oberflächlich» empfunden und deshalb sein eigenes Buch geschrieben, so Branch. Der Ex-Präsident habe das Manuskript gelesen und «stundenlange Telefongespräche» mit dem Autor geführt, bei denen es offenbar teilweise hoch zu und her ging. «Man kann durchaus sagen, dass er nervös ist», sagte Taylor Branch zu «USA Today».
$$VIDEO$$Best of Boris Jelzin (Video: YouTube)