SelbstverbrennungProtestform findet Nachahmer
Immer mehr Menschen folgen in der arabischen Welt dem Vorbild des Tunesiers Bouazizi und zünden sich selbst an. Mit dieser Art des Protests wurden schon früher Regierungen gestürzt.

Löste mit seiner Selbstverbrennung den Protest in Tunesien aus: Sogar Tunesiens mittlerweile vertriebener Präsident Ben Ali besuchte Mohammed Bouazizi im Spital.
Die Serie von Selbstverbrennungen, bei der in der arabischen Welt gegen wirtschaftliche Not protestiert wird, setzt sich fort. In Saudi-Arabien starb ein 60- jähriger Mann an seinen Brandverletzungen, wie ein Behördensprecher der Provinz Jizan am Samstag sagte. Der Mann hatte sich am Freitag im Süden des Landes mit Benzin übergossen und angezündet.
Die verzweifelten Taten in Ägypten, Algerien, Saudi-Arabien und Mauretanien folgen offenbar dem Vorbild des jungen Tunesiers Mohammed Bouazizi. Der arbeitslose Tunesier war mit einem solchen Akt zur Symbolfigur des Aufstandes gegen korrupte Politiker in dem nordafrikanischen Land geworden und hatte zum Sturz des Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali geführt. Seither haben sich mindestens 15 weitere Menschen in verschiedenen Länder selbst angezündet.
In Ägypten haben sich innerhalb von zwei Tagen vier Menschen angezündet. Die Taten erfolgten meist aus Zorn über die Regierung. Ein 25-Jähriger, der sich am Montag auf dem Dach seines Wohnhauses in Alexandria in Brand gesetzte hatte, erlag nach Angaben von Sicherheitskräften am Dienstag seinen Verletzungen. Ein 48 Jahre alter Inhaber einer kleinen Gaststätte zündete sich vor dem Parlamentsgebäude an.
Extremste Protestform
Die Selbstverbrennung ist eine der extremsten Ausdrucksformen des Protests. «Eine Selbstverbrennung hat etwas sehr Dramatisches an sich. Wer diese Protestform anwendet, will bemerkt werden», zitiert der TV-Sender CNN Carolyn Marvin, eine Professorin der University of Pennsylvania. Das Phänomen, das die arabische Welt zurzeit beunruhigt, habe aber nichts mit dem Islam zu tun und sei als politischer Prozess zu werten, sagt Abu Khalil, Professor der Politikwissenschaft an der California State University, gegenüber CNN. Westliche Medien würden fälschlicherweise die Rolle und den Einfluss des Islams bei politischen Handlungen in arabischen Ländern meist überbewerten, so Khalil. «Die Selbstverbrennungen sind ein säkulares Ereignis. Islamisten spielen hier absolut keine Rolle.»
Die Selbstverbrennungen sind auch keineswegs ein neues Phänomen. Laut Professor James Benn von der McMaster Universität in Ontario, Kanada, geht der Protest durch Selbstverbrennung auf die chinesische buddhistische Tradition bis ins vierte Jahrhundert zurück.
Im Westen seit den 1960er Jahren bekannt
In der westlichen Welt habe man diese Protestform aber erst in den 1960er Jahren wahrgenommen. Im Juni 1963 sorgte das Bild von Thich Quang Duc für Aufruhr: Darauf sieht man einen buddhistischen Mönch, der mitten im hektischen Saigon in Flammen steht. Mit diesem Bild geriet auch sein Protest gegen die Verfolgung von Buddhisten durch die Südvietnamesische Regierung ins Bewusstsein. Seine Aktion wird heute oft als Anstoss betrachtet, der später zum Umsturz des Regimes geführt habe.
In den USA war vor allem der Vietnamkrieg Anlass für mehrere Selbstverbrennungen. Im März 1965 setzte sich eine 82-Jährige Frau in den USA in Flammen. Der 31-Jährige Norman Morrison zündete sich acht Monate später vor dem Pentagon in der Nähe des Fensters von Verteidigungsminister Robert McNamara an. Nur eine Woche später folgte Roger Allen LaPorte, 22, in New York vor dem Gebäude der Vereinten Nationen dem Beispiel.
Im Jahr 1969 setzte sich der 20-Jährige Jan Palach in der Tschechoslowakei öffentlich in Flammen und protestierte damit gegen die sowjetische Besetzung. 1994 demonstrierte die 54-Jährige Homa Darabi im Iran mit einer Selbstverbrennung für Frauenrechte.
Abu Khalil, Professor der Politikwissenschaft an der California State University sei denn auch überzeugt, dass in der arabischen Welt zurzeit vor allem Aufmerksamkeit erregt werden solle, so der TV-Sender: «Was zurzeit geschieht, ist vielmehr ein Versuch, die Empörung der unterdrückten arabischen Gesellschaft zu zeigen.» Carolyn Marvin schlägt ähnliche Töne an: «Diese Männer repräsentieren eine nahezu enteignete Klasse. Mit der Verbrennung bieten sie alles an, was sie haben und das ist oft nur ihr Körper.» (ske/sda/dapd)