«Al Kaida gibts nicht mehr»

Aktualisiert

«Al Kaida gibts nicht mehr»

Die verschärften Sicherheitsmassnahmen nach den vereitelten Terroranschlägen sind nach Meinung des Zürcher Strategie-Experten Albert Stahel gerechtfertigt. Andererseits werde die terroristische Bedrohungslage «hochgeschaukelt».

Die von den britischen und US-amerikanischen Behörden getroffenen Massnahmen seien «normal und notwendig», sagte der Experte von der Universität Zürich am Freitag auf Anfrage.

Die terroristische Bedrohungslage werde aber «hochgeschaukelt». Dies erlaube es den Behörden weitere Anti-Terror-Gesetze zu erlassen, ähnlich den im Patriot Act enthaltenen Massnahmen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ergriffen wurden.

Al Kaida gibts nicht mehr

Stahel sprach in diesem Zusammenhang von einem «politischen Theater». Die Informationen der Nachrichtendienste gelangten je nach Bedarf an die Öffentlichkeit. «Sie werden nur bedingt verteilt und nicht in jener Richtung, die objektiv zutrifft», sagte der Experte von der Universität Zürich am Freitag auf Anfrage.

Die Erkenntnisse würden «verkauft», damit sie auf die öffentliche Meinung Einfluss nehmen können. Der US-Präsident George W. Bush habe das Terrornetzwerk Al Kaida zum Symbol des Terrorismus gemacht.

Die terroristischen Strukturen seien aber viel komplexer. Zudem existiere Al Kaida seit dem Sturz der Taliban in Afghanistan im Herbst 2001 nicht mehr, sagte Stahel.

Politischen Nutzen ziehen

Übereinstimmend mit der Meinung anderer Experten schliesst Stahel nicht aus, dass die Ankündigung der verhinderten Anschlagsserie für Bush innenpolitisch von Vorteil sein kann, «wenigstens für eine gewisse Zeit».

Bush hatte in einer ersten Reaktion die vereitelten Anschläge als das Werk von «islamischen Faschisten» bezeichnet. Diese hätten den USA den Krieg erklärt.

In den USA finden im November Kongresswahlen statt. Die regierenden Republikaner befürchten negative Folgen der Situation im Irak auf die Wahlen. Die Öffentlichkeit in den USA steht dem Engagement im Irak immer kritischer gegenüber.

(sda)

Islamfaschismus

US-Präsident George W. Bush spricht immer häufiger von «Islamfaschismus»: Diese für Historiker fragwürdige Wortschöpfung versinnbildlicht die Herausforderung, vor der die westliche Welt aus Sicht vieler Konservativer steht. Für sie sind die zum Dschihad (Heiligen Krieg) entschlossenen Islamisten die Todfeinde der Freiheit und der Moderne - wie einst etwa die Nazis. Ein «missbrauchter Islam» dient demnach extremistischen Gruppen als ideologische Basis, um im Namen Mohammeds und des Korans einen totalitären Anspruch auf Weltherrschaft zu realisieren.

Dabei zeigten sie fanatische Intoleranz, Verachtung von Demokratie und Menschenrechten, Hass auf Homosexuelle und sexuelle Freizügigkeit, Ablehnung der Frauen-Emanzipation und insbesondere glühenden Antisemitismus wie einst die Anhänger Hitlers oder Francos. Gleich den Nazis sind Islamisten bereit zu Massenmorden und zu äusserster Brutalität und Grausamkeit.

Kampfbegriff

«Islam-Faschisten» dient aber vor allem als politischer Kampfbegriff. Islamisten selbst definieren sich nämlich völlig anders als Europas nationalistisch und völkisch geprägte Faschisten. Dennoch sind die vielen Parallelen Grund genug für Politiker, Publizisten und Historiker, die untereinander keineswegs einigen islamistischen Terrororganisationen als Faschisten zu bezeichnen.

Die Attentäter vom 11. September 2001 repräsentierten den «Faschismus mit islamischen Gesicht», schrieb der US-Publizist Christopher Hitchens. «Dieser religiös verbrämte Neo-Faschismus» sei keinem Dialog zugänglich, meinte «Zeit»-Herausgeber Josef Joffe. «Dieser Terror kann nicht beschwichtigt, sondern muss bekämpft werden.» (sda)

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