Eklat bei Holocaust-Gedenken im Bundestag

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Kein ZentralratEklat bei Holocaust-Gedenken im Bundestag

Anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 64 Jahren hat der Bundestag in einer Feierstunde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Für einen Eklat sorgte der Zentralrat der Juden in Deutschland. Er blieb der Veranstaltung fern.

«Heute, am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee, gedenken wir ihrer: der Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und Menschen mit Behinderung, der politisch Andersdenkenden und der Homosexuellen und aller, die der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten und den deutschen Raub- und Vernichtungskriegen zum Opfer fielen», sagte Köhler. Der Name Auschwitz sei Inbegriff für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Er stehe für den Versuch, ein ganzes Volk auszulöschen.

Es sei eine Schande, dass die Orte jüdischen Lebens von der Polizei «vor alten und neuen Extremisten geschützt werden müssen», sagte Köhler. «Stellen wir uns an die Seite unserer jüdischen Landsleute. Wer sie angreift, greift uns alle an», appellierte das Staatsoberhaupt.

«Holocaust bleibt immerwährende Warnung»

Bundestagspräsident Norbert Lammert erklärte mit Blick auf Termine wie den bevorstehenden 20. Jahrestag des Mauerfalls, der 27. Januar sei mehr als der Auftakt zu einer Reihe grosser Gedenkveranstaltungen. «Er verbindet die kommenden Gedenktage wie ein roter Faden, weil das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus jeden der kommenden Gedenktage begleiten wird - insbesondere den 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Der Holocaust bleibe «eine immerwährende Warnung, wachsam zu sein und nicht zu schweigen, wenn wir unsere demokratischen Grundüberzeugungen und Regeln gefährdet sehen oder wenn Menschen Opfer insbesondere von ideologisch motivierter Gewalt werden», sagte Lammert.

Auf das Fernbleiben des Zentralrats der Juden gingen weder Lammert noch Köhler ein.

Die Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland sah in ihrem Schritt einen Protest gegen Missachtung und steigenden Judenhass, wie Generalsekretär Stephan J. Kramer der Nachrichtenagentur AP sagte.

Überlebende wie Zaungäste behandelt

Führende Vertreter wie die amtierende Präsidentin Charlotte Knobloch und deren Vorgänger Ignatz Bubis und Paul Spiegel seien noch nie als Überlebende des Holocaust auf der Tribüne des Bundestags begrüsst worden, sagte Kramer. «Ich hätte Verständnis, wenn wir über Vertreter der zweiten oder dritten Generation reden würden. Es ist aber ein Unding, dass Überlebende wie Zaungäste behandelt werden.» Dieser Behandlung wolle man sich nicht mehr aussetzen.

Kramer sagte, nach dem bisherigen Bundestags-Protokoll sei es nicht vorgesehen, andere als die Vertreter der obersten Bundesbehörden zu begrüssen. Da aber bei der Begrüssung auch andere Teilnehmer wie etwa die Musiker benannt würden, könnten auch die Vertreter des Zentralrats eingeschlossen werden.

«Um sich greifende Feindschaft»

Der Zentralrat beklagt auch einen wachsenden Antisemitismus in Deutschland, wie Kramer dem «Tagesspiegel» sagte. Es gebe eine «fortschreitend um sich greifende Feindschaft gegen Juden, mehr und mehr auch in der Mitte der Gesellschaft», sagte er.

Es sei zwar zu loben, dass in ganz Deutschland in vielen Veranstaltungen an den 64. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert werde, sagte der Generalsekretär. «Doch wir mussten auch feststellen, dass während des Gaza-Krieges die Zahl der Hass-Mails an den Zentralrat um 40 Prozent auf 200 bis 300 pro Woche zugenommen hat.» In einem Zehntel der Mails seien explizite Morddrohungen gegen persönlich benannte Mitglieder des Zentralrats enthalten gewesen.

Schüler lesen Zeitzeugnisse

Abiturienten der Berliner Sophie-Scholl-Oberschule lasen während der Gedenkstunde Auszüge aus dem Buch «Kinder über den Holocaust. Frühe Zeugnisse 1944-1948» vor. An der Veranstaltung nahmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Peter Müller sowie viele Gäste (dapd)

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