«Ich musste Fakten sammeln, keine Beweise»

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Organhandel«Ich musste Fakten sammeln, keine Beweise»

Scharfes Geschütz ohne Beweise: Dick Marty steht mit seinem Kosovo-Bericht über Organhandel in der Kritik. Jetzt nimmt er gegenüber 20 Minuten Online Stellung.

Ronny Nicolussi
von
Ronny Nicolussi
«Neu ist lediglich die Tatsache, dass jemand die Fakten schwarz auf weiss zusammengetragen hat», sagt Dick Marty.

«Neu ist lediglich die Tatsache, dass jemand die Fakten schwarz auf weiss zusammengetragen hat», sagt Dick Marty.

Die versammelte Weltpresse hat sich heute Nachmittag im Europaratsgebäude an der Pariser Avenue Kléber eingefunden. Einen solchen Medienrummel hat Dick Marty noch nie erlebt. Alle wollten vom 65-jährigen Tessiner wissen, was für Beweise er für seinen Bericht zur unmenschlichen Behandlung von Menschen und dem illegalen Organhandel im Kosovo habe. Doch Beweise blieb Marty auch heute schuldig - und wird er auch nicht liefern.

Das sei gar nicht seine Aufgabe, sagt Marty auf Anfrage von 20 Minuten Online sagt: «Meine Aufgabe war es, Fakten zu sammeln, für die Beweise sind andere zuständig.»

Der FDP-Ständerat durchlebt derzeit «exakt das Gleiche», das er 2007 mit seinem Bericht über illegale CIA-Gefängnisse erlebt hatte, wie er sagt. Jetzt brauche es den Willen, eine unabhängige Untersuchung zu eröffnen, eine die im Stande sei, ohne Druck von aussen zu arbeiten. Dass der kosovarische Ministerpräsident Hashim Thaci – den Marty mit dem Handel von Organen in Verbindung gebracht hat – offenbar gegen ihn gerichtlich vorgehen will, beunruhigt den ehemaligen Mafia-Jäger nicht. Das sei nichts Neues: «In Polen wurde ich auch angezeigt, weil ich gesagt hatte, es habe dort ein geheimes CIA-Gefängnis gegeben. Aus der Anzeige wurde dann nichts, als sich herausstellte, dass ich Recht hatte.»

Was er in seinem Bericht festgehalten habe, sei im Prinzip gar nichts Neues. Neu sei lediglich die Tatsache, dass jemand die Fakten schwarz auf weiss zusammengetragen habe. Seit Jahren wird festgestellt, dass es im Kosovo eine Verbindung zwischen der Politik und der organisierten Kriminalität gebe.

«Ein paar Details über Personen, Orte und Zeitpunkte»

Tatsächlich schrieb bereits die ehemalige Chefanklägerin der Internationalen Strafgerichtshöfe für Ex-Jugoslawien, Carla del Ponte, in ihrem Buch «Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher» 2008 über den illegalen Organhandel der kosovarischen Befreiungsarmee UCK. Del Ponte hatte dafür harte Kritik einstecken müssen. Nun bestätigt Marty im Wesentlichen die Aussagen Del Pontes. «Angereichert mit ein paar Details über Personen, Orte und Zeitpunkte», wie der Europarats-Abgeordnete festhält.

Für den Tessiner Vollblutpolitiker war die Medienkonferenz in Paris nur eine kurze, wenn auch, wie er sagt, eindrückliche Stippvisite. Bereits heute Abend fliegt Marty zurück in die Schweiz, um morgen bei den Schlussabstimmungen im Ständerat dabei zu sein. Allerdings wird er seinen Koffer nicht auspacken müssen. Gleich anschliessend wartet bereits die nächste Mission auf den Europarats-Abgeordneten – in Russland und Georgien.

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