Politisches Erdbeben bei der deutschen SPD

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DeutschlandPolitisches Erdbeben bei der deutschen SPD

Die geplante Nominierung ihres Kanzlerkandidaten führt überraschend zu einem Austausch der Parteispitze. Der Vorsitzende Kurt Beck trat am Sonntag in einer chaotisch verlaufenen Führungsklausur zurück.

Der frühere Vorsitzende Franz Müntefering soll an die Spitze zurück. Bis zu seiner Wahl auf einem Sonderparteitag übernimmt der Vizevorsitzende Frank-Walter Steinmeier die Führung.

Der Aussenminister wird zudem bei der Bundestagswahl 2009 als SPD-Kanzlerkandidat gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) antreten. Dies teilte Steinmeier bei der Klausur der SPD-Spitze in Werder bei Potsdam mit.

Beck verliess das Treffen bereits unmittelbar nach seiner Rücktrittsankündigung. Seinen überraschenden Schritt begründete er mit Intrigen gegen seine Person. Durch «gezielte Falschinformationen» in Medien sei der vereinbarte Ablauf bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur durchkreuzt worden.

Vor diesem Hintergrund sehe er keine Möglichkeit mehr, das Amt des Parteichefs mit der notwendigen Autorität auszuüben: «Ich habe dieses Amt übernommen, um meiner Partei zu helfen. Weil das nicht mehr möglich scheint, habe ich diese Konsequenz gezogen.»

Steinmeier betonte, dass er und Beck sich über die Frage der Kanzlerkandidatur einig gewesen seien. Er wolle dafür kämpfen, dass in 365 Tagen wieder ein Sozialdemokrat Deutschland regiert: «Ich trete nicht an, um auf Platz zu spielen.»

Zum zweiten Mal SPD-Chef

Die SPD wolle das Land neu gestalten. «Wir wollen, dass niemand am Rand der Gesellschaft zurückbleibt.» Beck habe mit den Beschlüssen des Hamburger Parteitags eine wichtige Grundlage für die politische Arbeit der Partei gelegt, sagte Steinmeier. Die Partei schulde ihm dafür grossen Dank.

Müntefering als Becks Nachfolger war von Steinmeier vorgeschlagen worden. Er war bei der Klausur nicht anwesend, sondern verbrachte das Wochenende in seinem Haus in Bonn. Dort wollte er sich am Sonntag zu der aktuellen Entwicklung nicht äussern.

Der frühere Vizekanzler wäre nach Matthias Platzeck, Kurt Beck und nach Steinmeiers Überbrückungsphase auf dem Parteivorsitz der 10. und zugleich 14. SPD-Chef seit Kriegsende. Allein innerhalb der vergangenen fünf Jahre wäre er damit der sechste Vorsitzende.

Bayern und Hessen

Die SPD startet so mit einem schwierigen Auftakt in die letzten zwölf Monate vor der Bundestagswahl im September 2009. Zudem muss sie am 28. September die Landtagswahl in Bayern bestehen.

In Hessen plant die Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti eine Ablösung der CDU-Regierung durch ein von den Linken toleriertes rot- grünes Bündnis. Ihr Linkskurs und die daraus resultierenden Angriffe der Union hatten Beck stark in Bedrängnis gebracht.

Die Union reagierte mit Häme auf die Ereignisse vom Wochenende. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer erklärte, «die tiefe inhaltliche Zerrissenheit» der SPD werde nur verstärkt. Steinmeier sei «der Macher der Agenda 2010, das wird ihm der linke Parteiflügel auch als Kanzlerkandidat nicht verzeihen.»

CSU-Chef Erwin Huber verlangte von Steinmeier einen Kurswechsel: «Wenn Steinmeier sich jetzt zum Kanzlerkandidaten küren lässt, muss er als erstes die geplante Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen verhindern», sagte er. (dapd)

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