Schurkenstaat und Grosser Satan

Aktualisiert

Iran/USASchurkenstaat und Grosser Satan

US-Präsident Barack Obama schlägt dem Iran einen Neubeginn vor. Zwei Schlüsselereignisse belasten das Verhältnis der beiden Staaten: Ein CIA-organisierter Putsch 1953 und die Geiselnahme militanter Studenten 1979.

«Die USA wollen, dass die Islamische Republik Iran ihren rechtmässigen Platz in der Gemeinschaft der Nationen einnimmt», sagte Obama in seiner überraschenden Video-Botschaft zum iranischen Neujahrsfest. Und er wiederholte das Angebot aus seiner Antrittsrede: «Wir werden die Hand reichen, wenn Sie bereit sind, zuerst Ihre Faust zu öffnen.»

Gesprächsstoff gäbe es reichlich: Die Lage im Irak und in Afghanistan, das iranische Atomprogramm, der Nahostfriedensprozess, das amerikanische Wirtschaftsembargo, Sicherheitsgarantien und vieles mehr. Worauf also warten die beiden? Im Kern misstrauen sie einander - und das aus gutem Grund: Ihre gemeinsame Geschichte ist voller gegenseitiger Demütigungen, die sie einander bis heute übel nehmen.

Staatsstreich gegen Demokratie

Das Unheil nahm 1953 seinen Lauf, als der amerikanische Geheimdienst CIA den demokratisch gewählten, überaus populären iranischen Premierminister Mohammad Mossadegh stürzte. Zwei Jahre zuvor hatte dieser die iranische Erdölindustrie verstaatlicht und damit den Zorn der britischen Betreibergesellschaft «Anglo Iranian Oil Company» (aus der kurz darauf BP hervorging) auf sich gezogen.

Im darauffolgenden diplomatischen und wirtschaftlichen Schlagabtausch zwischen Grossbritannien und Iran blieb Amerika zunächst neutral und versuchte sogar zwischen den Streithähnen zu vermitteln, allerdings ohne Erfolg. Schliesslich liess sich der 1952 frisch gewählte amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower von seinem britischen Amtskollegen Winston Churchill überzeugen, dass unter der Führung Mossadeghs Iran mitsamt seinen riesigen Erdölvorkommen der Sowjetunion in die Hände fallen würde.

In einer fatalen Fehleinschätzung der Realität (Mossadegh entstammte dem persischen Hochadel, hatte in der Schweiz Jura studiert, war pro-westlich und beileibe kein Kommunist) befahl er der CIA, in Iran einen Staatsstreich anzuzetteln. Der Plan ging auf und brachte Schah Mohammad Reza Pahlavi aus dem Exil zurück auf den Thron. Dieser verbannte Mossadegh zu lebenslangem Hausarrest und errichtete - unterstützt von Amerika - eine repressive Diktatur, die 1979 in der Islamischen Revolution gestürzt wurde. Die Schmach von 1953 war zu diesem Zeitpunkt alles andere als vergessen, wie sich bald herausstellen sollte.

Die gedemütigte Supermacht

Im Iran läuteten einige Alarmglocken, als der vertriebene Schah am 22. Oktober 1979 zur Krebsbehandlung nach Amerika reiste: Hatte der «Grosse Satan», wie Amerika im revolutionären Jargon inzwischen genannt wurde, den Schah nicht schon einmal zurück auf den Thron gehievt? Wie heute bekannt ist, zogen Kreise um den damaligen Nationalen Sicherheitsberaster Zbigniew Brezinski tatsächlich einen Militärputsch schahtreuer Generäle in Betracht.

Knapp zwei Wochen später, am 4. November 1979 stürmten militante Studenten (ohne das Wissen von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini) die amerikanische Botschaft in Teheran, nahmen über 50 Diplomaten als Geisel und forderten die Auslieferung des Schahs. Nach anfänglicher Skepsis unterstützte Khomeini die Geiselnehmer, worauf der damalige amerikanische Präsident Jimmy Carter umgehend alle Ölimporte aus dem Iran in die USA stoppen und iranische Guthaben bei US-Banken einfrieren liess.

Es folgten Vermittlungsversuche durch die UNO und den Papst sowie eine militärische Befreiungsaktion der Amerikaner, die in der iranischen Wüste spektakulär scheiterte. Nach genau 444 Tagen, pünktlich zum Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, kamen die Geiseln frei und wurden bei ihrer Heimkehr wie Helden gefeiert. Zurück blieb die Wut, von einem Drittweltland, einem Schurkenstaat, derart gedemütigt worden zu sein. Amerika und Iran unterhalten seit jener Episode keine diplomatischen Beziehungen mehr.

Verpasste Chance

Amerika unternahm 2000 einen ernsthaften Versuch, das Kriegsbeil zu begraben. Ermutigt von der Reformpolitik des damaligen iranischen Präsidenten Mohammad Khatami, sprach erstmals ein Regierungsmitglied öffentlich über Amerikas Rolle im Putsch gegen Mossadegh (siehe Info-Box). «Die Vereinigten Staaten müssen Ihren Teil der Verantwortung für die Probleme im iranisch-amerikanischen Verhältnis übernehmen», sagte damals die amerikanische Aussenministerin Madeleine Albright.

Nicht wenige Iraner bedauerten, dass Khatami nicht weiter auf diese Annäherung einging. Erst 2006, als bereits sein Nachfolger Mahmud Ahmadinejad im Amt war, bedauerte er in einem Interview mit Time Magazine die Geiselnahme und drückte den damaligen Geiseln und ihren Familien sein Mitgefühl aus (siehe Info-Box). Eine offizielle Entschuldigung für das begangene Unrecht hat bisher keiner dem anderen gewährt. Sollten Amerika und Iran nach über 30 Jahren wieder direkt miteinander sprechen, dann werden auch die Ereignisse von 1953 und 1979 auf der Traktandenliste stehen.

(khr)

Wortaut der Rede von US-Aussenministerin Madeleine Albright am 22. März 2000: «Im Jahr 1953 spielten die Vereinigten Staaten eine bedeutene Rolle bei der Organisation des Sturzes von Irans populärem Premierminister Mohammad Mossadegh. Die Eisenhower-Regierung hielt diese Vorgehensweise aus strategischen Gründen für gerechtfertigt; aber der Putsch war eindeutig ein Rückschlag für die politische Entwicklung Irans. Es ist leicht zu verstehen, warum viele Iraner Amerika diese Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten bis zum heutigen Tag übel nehmen. Darüber hinaus haben die Vereinigten Staaten und der Westen im darauf folgenden Vierteljahrhundert nachhaltig das Regime des Schahs unterstützt. Zwar hat er viel für die ökonomische Entwicklung des Landes getan, aber er hat auch den politischen Dissens brutal unterdrückt. Wie Präsident Clinton bereits sagte, müssen die Vereinigten Staaten ihren Teil der Verantwortung für die Probleme im iranisch-amerikanischen Verhältnis übernehmen.»

Wortlaut des ehemaligen iranischen Präsidenten Mohammad Khatami im Interview mit Time Magazine am 8. September 2006: «Ich bedaure die Geiselkrise, die Geiselnahme. Und ich fühle mit den Geiseln und ihren Familien für ihren Verlust und ihren Schmerz. Aber es handelte sich auch um eine revolutionäre Reaktion auf ein halbes Jarhundert, in dem die USA Iran als Geisel genommen hatte.»

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