FinanzkriseKlimapaket bringt EU ins Schwitzen
Der Geist ist willig, aber das Portemonnaie leer: Im Streit um das milliardenschwere EU-Klimaschutzpaket bleiben die Fronten ungeachtet aller Aufrufe zu einer raschen Einigung verhärtet - weil Polen und Italien plötzlich abzuspringen drohen.
Der amtierende EU-Ratsvorsitzende, Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo, wies Forderungen aus den beiden Ländern zurück, einen Beschluss über die ambitionierten Klimaziele aufzuschieben.
«Wir haben kein Mandat bekommen, das Paket zu verschieben», sagte Borloo nach Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen. «Unsere Vorgaben stammen vom EU-Gipfel vergangene Woche.»
Beim Treffen am Montag verlangte Italien, das EU-Klimapaket wegen der Finanzkrise neu aufzuschnüren. Rom beziffert die Kosten für seine Unternehmen auf 25 Milliarden Euro jährlich.
Polen macht Aufholbedarf geltend
EU-Diplomaten zufolge pochte Polen weiterhin auf eine Lösung seines Problems, dass es mehr als 90 Prozent seines Stroms aus CO2-intensiver - Kohle beziehe. Warschau will mit einer Gruppe weiterer mittel- und osteuropäischer Länder zudem seinen wirtschaftlichen Aufholbedarf geltend machen.
Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel zeigte sich nach Beratungen in Luxemburg enttäuscht. Es seien «lediglich die bekannten Standpunkte» ausgetauscht worden, sagte Gabriel.
Raschere Folgen des Klimawandels
Der Klimawandel kommt laut einem Bericht der Umweltstiftung WWF schneller und mit dramatischeren Folgen als bisher angenommen. Demnach halten es Wissenschaftler für möglich, dass das sommerliche Packeis der Arktis bis 2040 völlig abschmilzt.
Der Meeresspiegel könne statt der bisher geschätzten maximal 60 Zentimeter sogar um mehr als 120 Zentimeter steigen. Die Folgen für Europas Küstenregionen wären katastrophal.
Der WWF hat in dem Report neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengefasst und ihn anlässlich der EU-Umweltministertagung veröffentlicht.
Ehrgeizige Ziele
Mit dem Klimaschutzpaket wollen sich die 27 EU-Staaten auf ehrgeizige Ziele verpflichten. Der Kohlendioxid (CO2)-Ausstoss soll bis 2020 um ein Fünftel gesenkt werden. Zudem sollen mehr erneuerbare Energien wie Agrartreibstoff oder Windkraft zum Einsatz kommen.
Die Regierungen und das Europaparlament streiten über die Lastenteilung. Die EU hat sich vorgenommen, das Paket im Dezember unter Dach und Fach zu bringen, da dann im polnischen Poznan (Posen) die internationalen Verhandlungen für ein neues Weltklimaabkommen beginnen.
Dort werden die Weichen gestellt für die Kopenhagener Konferenz Ende 2009, bei der ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls stehen soll.
Gabriel warnte, die internationalen Verhandlungen in Poznan könnten scheitern, wenn die EU nicht mit gutem Beispiel vorangehe und sie keinen Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Ländern finde.
USA und China ins Boot holen
Europa will sein Klimapaket in die Waagschale werfen, um bedeutende Luftverschmutzer wie die USA und China ins Boot zu holen.
Deutschland fordert Ausnahmen für Industriesektoren wie Stahl oder Zement mit hohem Energieverbrauch, die sich hartem globalem Wettbewerb ausgesetzt sehen. Hier liegen die EU-Kommission und Berlin offensichtlich weiter über Kreuz.
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will erst nach Abschluss eines neuen Weltklimaabkommens, also im Jahr 2010 oder 2011, die betroffenen Sektoren festklopfen. (sda)